Venture Capital droht der Steuer-GAU

Start-up-Finanzierungen durch Venture Capital (VC) sind in Deutschland selten genug – die Unternehmenssteuerreform könnte sie fast unmöglich machen.

Es ist schon widersprüchlich: Da beweisen seriöse Studien immer wieder, dass Unternehmen große Vorteile durch Venture-Capital- und Private-Equity-Finanzierungen haben, aber in Deutschland spielt diese Form der Kapitalbeschaffung verglichen mit den USA nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Eine Untersuchung des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften aus dem Jahr 2005 legt etwa dar, dass Unternehmen, die sich über externes Eigenkapital finanzieren, deutlich schneller wachsen, stärker investieren und mehr Arbeitsplätze schaffen als der deutsche Durchschnitt.

In den USA sind Venture-Capital-Finanzierungen fünfmal so hoch wie in Deutschland. Dort ist es gang und gäbe, dass VC-Gesellschaften innovativen Firmen nicht nur Kapital bereitstellen, sondern diese auch mit ihren Branchenerfahrungen beraten und wichtige Kontaktnetze liefern. Junge Firmen, die aus den Hochschulen heraus entstehen, haben die Möglichkeit, über die Transferstellen der Universitäten mit VC-Gebern Kontakt aufzunehmen und ihre Business-Pläne prüfen zu lassen.

Was wird also in Deutschland getan? Hierzulande gibt es im Gegensatz zu den USA nur eine geringe Anzahl von Venture-Capital-Gesellschaften, die sich an aussichtsreichen Start-ups beteiligen – viele Unternehmen, die eine Finanzierung mit Wagniskapital anstreben, können daher nicht berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite müssen die Fonds der VC-Gesellschaften auch mit genügend Kapital gefüllt sein, um neue Firmen finanzieren zu können.

Investoren für deutsche Fonds gesucht

Das Kapitalangebot ist nicht üppig und die deutschen Beteiligungsgesellschaften befinden sich in einem harten Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten. Investoren bevorzugen eher große Private-Equity-Gesellschaften, die das Ziel verfolgen, sich an etablierten Firmen zu beteiligen und ihre Anteile mit hohen Gewinnen später wieder zu verkaufen. Venture-Capital-Unternehmen, die eine ganz andere Geschäftspolitik betreiben, in junge aufstrebende Unternehmen investieren und beim Aufbau mit hohem Branchen-Know-how beratend zur Seite stehen, gelten bei Investoren als weniger attraktiv.

Es ist an der Zeit, dass sich mit der Einführung eines neuen Private-Equity-Gesetzes im Jahr 2008 die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die Beteiligungsgesellschaften verbessern, damit mehr Investoren von einem Engagement in deutsche Fonds überzeugt werden können. Damit könnte dem Gründer- und Technologiebereich das dringend benötigte Kapital zur Verfügung gestellt werden. Denn von Innovation hängt die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft ab.

Eine Meldung übereilt aber schnell in der heutigen Zeit die andere – zum Nachteil der Wagniskapitalbranche. Nach den Plänen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sollen mit der Unternehmenssteuerreform 2008 die bisher steuerlich günstigen Verlustvorträge beim Kauf von Firmenmänteln eingedämmt werden. Der Referentenentwurf sieht vor, ab einem Wechsel der Unternehmensgesellschafter von 25 Prozent solche Verlustvorträge zu kürzen. Bei einem Übergang ab 50 Prozent entfallen sie vollständig – das wäre Gift für die Investoren und höchst widersprüchlich bei allem Gerede um eine stärkere Förderung der Venture-Capital-Branche.

Steuerliche Benachteiligung hilft nicht

Nicht begreiflich, denn: Junge Gründerunternehmen produzieren in ihren Anfangsjahren in der Regel Verluste. Um diese auszugleichen bzw. die Unternehmen zu finanzieren, werben diese Firmen Eigenkapital von VC-Unternehmen ein. Bei einer VC-Finanzierung wandern in der Regel zwischen 30 und 60 Prozent der Gesellschaftsanteile an neue Investoren. Damit würde eine solche Regelung hier voll zuschlagen. Wenn spätere Gewinne eingefahren werden, die dann sofort zu versteuern sind, lohnt sich eine solche Investition kaum mehr.

Wie erfolgreich Venture-Capital-Gesellschaften arbeiten können und was sie für den Aufbau junger Unternehmen leisten, zeigt das Beispiel des Online-Händlers Mercateo AG. Das E-Commerce-Unternehmen hat sich seit seiner Gründung 1999 zum Marktführer im B2B-Geschäft entwickelt. Auf mercateo.com können Geschäftskunden ein Sortiment von 2,6 Millionen Produkten vorfinden, aus 225 Katalogen auswählen und bequem online einkaufen. 2004 erhielt das Unternehmen Venture Capital, um sein Wachstum schneller fortsetzen zu können, und konnte in der Vergangenheit seinen Umsatz jedes Jahr fast verdoppeln. Während er im Jahr 2004 noch bei 7,5 Millionen Euro lag, stieg er im vergangenen Jahr auf 23,7 Millionen Euro. Für 2007 werden 44 Millionen Euro erwartet – 90 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen heute.

Wir benötigen in Deutschland eine bessere Kultur rund ums Venture Capital. Vor allen Dingen sollte die Politik bzw. der Gesetzgeber geplante Änderungen in der Steuer- und Wirtschaftspolitik zuerst einmal dahingehend überprüfen, ob dadurch negative Auswirkungen auf die Tätigkeit von Venture-Capital- und Private-Equity-Investoren zu erwarten sind (siehe Beispiel oben bzgl. der Verlustvorträge). Es gibt zwar immer wieder positive Äußerungen seitens der Politik und Wirtschaftsförderer über die Tätigkeit dieser Art von Investoren, aber in der Realität werden den VC- und Private-Equity-Gesellschaften dann immer wieder dicke Knüppel zwischen die Beine geworfen. Denn dass die VC-Gesellschaften nachhaltig an der Förderung und dem Aufbau junger Firmen mitwirken, steht außer Frage. Nur Lippenbekenntnisse helfen uns nicht weiter.