Generationsprobleme

Diese Jugend heutzutage… die hat’s schon schwer. Wertvolle Ressourcen, die jede nachwachsende Generation für ihre Zukunft braucht, die haben bei ihr die vorangegangenen bereits hemmungslos geplündert.

Nein, es dreht sich nicht schon wieder um Öl, Kohle und die anderen Dinge, um die sich spätestens seit der Veröffentlichung des Club of Rome von 1972 viele Leute Sorgen machen. Es geht vielmehr um Mineralien quasi für die menschliche Seele.

Während Menschen werden, müssen sie sich finden. Und sie tun dies üblicher Weise, indem sie sich unterscheiden – vor allem während der Adoleszenz.

Da lehnen sie es dann ab, zu sein, wie ihre Eltern sind, und wollen die Welt neu erfinden. Bevor sie bei der anschließend anstehenden Rekonstruktion einer völlig neuen Welt doch wieder auf viel Altbewährtes zurückgreifen.

Einen sehr raffinierten Trick hat die Natur sich da ausgedacht mit dieser ständig wiederkehrenden Rebellion der Pickelgesichter. Schließlich ist weniger wichtig, was ein Mensch macht, als dass er es macht, weil er es will und nicht etwa, weil die es wollen, die sich in jener kritischen Entwicklungsphase überlegen, ob sie damals nicht einen Fehler gemacht haben – als sie sich ihren Kinderwunsch erfüllten.

Nicht funktionieren kann all das aber, wenn der endliche Vorrat an Unterscheidungsmöglichkeiten zur Neige geht. – Und genau vor diesem Problem stehen die heutigen Youngsters.

Die Alten haben ja kaum etwas übriggelassen, was Spaß bereitet und geeignet wäre, sich zu unterscheiden und ältere Herrschaften zu schockieren. Schließlich haben die Rolling Stones während der Jugend der heute Alten in Sachen Sex and Drugs and Rock’n Roll gründlicher abgeräumt als De Beers in den südafrikanischen Minen.

Und so stehen die Youngsters heute denn auch ziemlich bedröppelt da. Ein bisschen gepierct – was auch kein Aufreger mehr ist – und mit gegelten – kurzen – Haaren. Und sie wissen nicht so recht, womit sie jene Generation provozieren könnten, die ihnen keine wunderschöne Ungehörigkeit mehr übriggelassen hat.

Nur an einem haben sich die egoistischen Alten zu ihrer Zeit nicht vergriffen. Und auch das nicht etwa aus Rücksicht auf ihre künftigen Kinder, sondern weil es sowas damals halt noch nicht gab: die meist doch sehr befremdlichen Clips auf den Videoportalen. Als die Stones zum ersten Mal Satisfaction spielten, da war das Internet schließlich noch gar nicht erfunden.

Aber selbst dieses letzte Refugium jugendlicher Andersartigkeit wird gerade geschleift. Zuerst hat Google, einer der mächtigsten Multis überhaupt, YouTube geschluckt. Dann haben NBC Universal und die News Corporation von Rupert Murdoch angekündigt, ebenfalls ins Geschäft mit den Clips einsteigen zu wollen. Und diese Woche schließlich hat sich der Burda-Verlag am deutschen Videoportal Sevenload beteiligt.

Murdoch gehört die britische ‘The Sun’, nach deren Vorbild das Zentralorgan der deutschen Spießer gestrickt ist, die Bildzeitung. Und Burda verdient sein Geld vor allem mit Publikationen rund ums traute Heim wie “Mein schöner Garten”, “Meine Familie & ich” und “Das Haus”. Und unter deren Ägide sollen Heranwachsende künftig anders sein, abgefahrene Videos gucken und uploaden.

Wo das enden wird ist absehbar. Das hat Bertelsmann (Eltern, Capital, Schöner Wohnen) vorgemacht, der Konzern, der 2002 Napster gekauft und später dann geschlossen hat.

Eigentlich müssten ja die Youngsters dagegen protestieren. Aber das käme auch ein bisschen altbacken rüber. Gegen den Kommerz sind ja schon ihre Väter, Mütter, Tanten und Onkel auf die Straße gegangen.

Und so steht sie denn da unsere Jugend – wehrlos und ohne Perspektive. Das heißt vor allem ohne das tolle Gefühl, ganz anders zu sein als die Alten, und die Gewissheit, alles einmal ganz anders zu machen.

Ach ja. Wie wäre es denn gewesen, wenn unsere Eltern so fies gewesen wären und uns den ganzen Spaß an der Andersartigkeit verdorben hätten? – Dann hätte uns Papa mit dem Familienauto zum Rollig-Stones-Konzert gefahren. Und Mama hätte uns besorgt hinterhergerufen, ob wir auch ein sauberes Taschentuch einstecken hätten. – Gut, dass wir keine solchen Eltern hatten – wie diese Jugend heutzutage.