Der Sechsfüßler

Eigentlich war dieser Text ja als Brief an den Bundesinnenminister gedacht. Dann aber hat der Schreiber sich doch entschlossen, ihn bei silicon.de zu veröffentlichen.

Denn der Wochenrückblick wird gelesen. Wolfgang Schäuble hingegen liest ganz offensichtlich nichts über bürgerliche Freiheiten. Wahrscheinlich hat er das seit 1961 nicht mehr getan.

Seinerzeit hingegen musste er sich wohl notgedrungen damit befassen. Denn die 1848er Revolution war auch am Gymnasium Hausach am Rande des Breisgaus Abitursstoff. Und Schäuble hat ein gutes Abitur gemacht.

Besagte Revolution begann ja in dessen badischer Heimat. Und sie war den Bürgerrechten hierzulande sehr zuträglich.

1961 begann hier dann Wolfgang Schäubles politische Karriere. Das war den Bürgerrechten hierzulande weniger zuträglich.

Das Schreiben – das muss man vorab sagen – ist streckenweise verfasst, wie man in Baden-Württemberg halt so schwätzt. Denn das hat etwas Beruhigendes an sich.

Und genau das braucht man, wenn man über Wolfgang Schäuble schreibt: In Deutschlands Südwesten redet man Probleme gerne klein.

Einen Schlaganfall etwa nennt man hier Schlägle. Bei Schäuble wiederum hat man oft den Eindruck, er schwätzt vom Grundgesetzle. Wie gesagt: Man redet sich seine Probleme halt gerne klein.

Jetzetle also der dann doch nicht abgeschickte Brief:

Sehr geehrter Herr Bundesminister des Inneren,

Lieber Dr. Schäuble,

Mensch, Kärle,

was henn Sie sich denn eigentlich do dabei denkt? Hugoles henn Sie mit der deutschen Öffentlichkeit gespielt! – Deswegen steht dieser Tage in mindestens 227 Publikationen der wirre Satz: “Bundestrojaner ist eine Wanze”.

Sogar dem Google isch schon ganz durmelig. “Meinten Sie: ‘Bundestrainer ist eine Wanze’? fragt die Suchmaschine. So durcheinander ist die. – Nein, der Jogi Löw aus dem Kreis Lörrach in Südbaden ist nicht gemeint.

Sie haben das natürlich schon immer gewusst, dass es um Wanzen und nicht um trojanische Pferde geht. Eben weil sie aus Baden-Württemberg kommen. Die Lieblingsbeschäftigung hiesiger Männer nämlich besteht darin, hählinge noch de Fieß von de Mädle z’gugge (heimlich langbeinigen, schönen Frauen hinterherzuschauen).

Mit Fieß (Füßen) kennen wir uns halt aus in Baden-Württemberg. Deshalb messen wir diesem Wort auch eine viel umfassender Bedeutung zu als andernorts.
 
Eine Wanze nun unterscheidet sich von einem Pferd allein schon dadurch, dass sie sechs und nicht bloß vier Fieß hat. Deswegen heißen ja auch die besonders ekeligen elektronischen Varianten so – wegen der vielen Fieß.

Außerdem werden Trojaner hählinge (heimlich) über das Internet installiert. Eben deshalb ist das unheimlich.

Wer sowas macht, der demonstriert, dass er koi Bähmull isch, also nicht zimperlich. In den USA und in Polen würde man Bähmull heute wohl mit “Liberaler” übersetzen.

Aber es funktioniert halt doch nicht bei Leuten, die über wirklich kriminelle Energie verfügen. Das zeigen ebenfalls die USA.

Dort hat man vergangenen Monat zwar jemanden mittels eines Trojaners überführt. Aber das war bloß ein Youngster, der Droh-E-Mails an seine ehemalige Schule geschickt hatte.

Er wurde zu 90 Tagen Jugendarrest verurteilt. Das fällt wohl eher unter die Kategorie Lausbua als Al Qaida.

Um die Bundeswanze zu installieren, wiederum sollen Beamte gleich zwei mal die Wohnung eines Verdächtigen betreten, einmal, um nachzuschauen, was er auf seinem Rechner hat, und das zweite mal zum Verwanzen. Das ist zwar auch nicht nett, wird aber schon lange gemacht. Und so ganz arg hählinge geht’s halt a net.

Sie bringen solche Dinger ja öfters: der Trojaner mit sechs Fieß, das prophylaktische Totschießen auf Verdacht und die Bundeswehr bei der Weltmeisterschaft. – Sowas geht hierzulande nicht. Und das wissen Sie natürlich auch.

Isch des vielleicht also elles bloß Läddegschwätz gwäh? (War das alles lediglich unbedacht daher geredet?)

Noi, bestimmt net! – Die Bähmulla, die Ihrer Schauergeschichte vom Trojaner mit sechs Fieß aufgesessen sind, haben Sie jetzt mal wieder so richtig schön vorgeführt.

Und denjenigen, die das Gleiche wollen wie Sie, haben Sie zu verstehen gegeben, was Sie alles würden, wenn Sie könnten, wenn da nicht diese Programmierer von Firewalls wären, die Väter des Grundgesetzes und die anderen Gefährder.

Ihren Vorgänger im Amt und Geist, versenken Sie so in die toskanische Vergessenheit. Otto Schily konnte wegen der Bähmulla in seiner Partei in Sachen Online-Durchsuchungen ja nicht so laut schwätze wie Sie, sondern nur hählinge mache.

Dessen ehemaligen Kollegen im Verteidigungsressort, Peter Struck, ärgert das denn auch sehr. “Schäuble will die SPD diskreditieren, weil wir durch die Zeit von Otto Schily als Innenminister eine Position als Wahrer der inneren Sicherheit wie der Rechtsstaatlichkeit gewonnen haben”, sagt der.

Dass der politisch simulierte Trojaner die Quintessenz der Rechtsstaatlichkeit sei, ist zwar mindestens ebenso wirr wie die Behauptung, er sei zur Wanze mutiert. Aber das Ganze zeigt doch, wie sehr sie Ihren Koalitionspartner verseggle, also veräppeln.

Und noch etwas haben Sie geschafft: Sogar der hiesigen IT-Industrie haben zu einem Benefit verholfen. Sie sind halt ein echter Standortvorteil!

Die Branche konnte sich unisono kundenfreundlich geben, was man ihr sonst nicht so recht abnimmt, und öffentlich erklären, dass sie den ominösen Bundestrojaner keinesfalls durchließe. So ebbes koscht halt nix – im Konjunktiv.

Wie hingegen IT-Unternehmen sich verhalten, wenn man sie nicht im Konjunktiv fragt, sondern ein Innenminister etwas definitiv im Indikativ anordnet, das zeigen Yahoo und Google in China.

Und jede befragte Firma konnte wahrheitsgemäß angeben, Sie seien wegen des Wanzen-Trojaners bei ihr überhaupt nicht vorstellig geworden. – Wozu auch? Ein Software-Haus ist schließlich kein Schlüsseldienst.

Ja, Sie sind schon ein Erzgscheidle. So raffiniert wie Sie verseggelt sonschd koiner d’Leit.