Was Open Source und Ladenhüter gemeinsam haben

Der E-Commerce-Experte Chris Anderson hat in einem Interview über das Verhältnis von Open Source zum ‘Long Tail’ gesprochen.

Anderson, Chefredakteur der US-Zeitschrift Wired, stellte den Begriff Long Tail im Jahr 2004 in einem Artikel vor. Seitdem wird das Phänomen von E-Commerce-Spezialisten leidenschaftlich diskutiert.

Long Tail heißt ‘langer Schwanz’. Dieses Bild bezieht sich auf die Umsatzkurve eines Händlers. Ein traditioneller Händler – etwa Wal-Mart – erzielt den Umsatz mit vergleichsweise wenigen Artikeln, den Verkaufsschlagern. Ladenhüter werden bei Wal-Mart dagegen sofort aussortiert, um Kosten zu begrenzen.

Nicht jedoch im Internet, so Anderson. Auch hier kann man mit Verkaufsschlagern Umsatz machen. Weitaus größer ist jedoch der Umsatz mit den ‘Ladenhütern’ – jenen Produkten, die nur in sehr geringen Mengen verkauft werden und die ein traditioneller Händler aus dem Regal genommen hätte.

Diese Nischenprodukte können in der Umsatzkurve eines Online-Händlers als ‘langer Schwanz’ dargestellt werden. Laut Anderson ist der Long Tail durch drei Faktoren beschreibbar: die Demokratisierung der Produktionsmittel, die Demokratisierung des Vertriebs und die direkte Verbindung von Angebot und Nachfrage.

Diese Faktoren erinnern an die Werte der Open-Source-Szene – so hat der CNet-Redakteur Matt Asay Anderson jetzt zum Verhältnis von Long Tail und Open Source befragt.

Open Source passe durchaus in das Long-Tail-Konzept, sagte Anderson. “Jeder schreibt Software für jeden, die für beliebige Zwecke konsumiert wird – das ist Long Tail auf Open Source angewandt.” Die Open-Source-Entwicklung sei zudem ein Markt, an dem jeder teilnehmen könne – unabhängig vom Aufenthaltsort und von Nachweisen. Ein Beispiel sei Googles ‘Summer of Code’.

Anderson: “Der Long Tail von Open Source ist aber nicht Linux.” Ein gutes Beispiel seien dagegen die sehr speziellen Lösungen, die über das Web geliefert werden, etwa über die Seite Sourceforge.

“Viele auf Sourceforge angebotene Projekte sind obskur. Es ist schlicht unvorstellbar, dass es für diese Produkte überhaupt eine Nachfrage gibt. Viele sind von einem Entwickler geschrieben und werden auch nur von diesem Entwickler genutzt. Das Faszinierende an Sourceforge ist jedoch, dass das Angebot nicht reglementiert ist. Was eine hohe Nachfrage findet, wird dem Markt überlassen.”

Ein anderes Beispiel sei der Software-Marktplatz AppExchange von Salesforce.com. Das Unternehmen habe eine offene Plattform geschaffen und versuche, um diesen Marktplatz eine Long-Tail-Ökonomie zu initiieren.

Die Kommerzialisierung des Long Tail habe jedoch auch Grenzen. So könne er sich kein Unternehmen vorstellen, das etwa Ladenhüter sammle und versuche, daraus Verkaufsschlager zu machen. “Wer will schon für etwas bezahlen, was er kostenlos bekommen kann?”

Sourceforge arbeite zudem mit einem Ausschluss der Gewährleistung. Ein Software-Unternehmen wie etwa Red Hat könne für die Vielzahl der dort angebotenen Lösungen keinen Support liefern. “Open Source ist zwar ein Long-Tail-Phänomen. Jeder Open-Source-Anbieter ist aber nur ein Teil dieses viel größeren Phänomens”.