Führungskräfte kommen selten vom Arbeitsamt

Führungskräfte kommen nach einer Studie selten über das Arbeitsamt, in diesem Punkt sind sich die extrem unterschiedlichen Landesteile Ostdeutschland und Westddeutschland einig.

Bei der Rekrutierung von Führungskräften in mittelgroßen Unternehmen unterscheiden sich Ost- und Westdeutschland immer noch deutlich. Das ergab eine Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena zur Personalpolitik.

Neben starken Ost-West-Unterschieden haben die Wissenschaftler vor allem eins festgestellt: Die Mehrheit der Führungskräfte wird demnach von außerhalb gewonnen. 50 Prozent der westdeutschen, aber nur 33 Prozent der ostdeutschen Unternehmen greifen dabei auf Headhunter zurück. Im Osten vermitteln die Arbeitsämter in 26 Prozent der Fälle Führungskräfte, im Westen liegt dieser Wert mit 10 Prozent deutlich niedriger. Für die Studie hatten Soziologen um die Leiterin der Studie Katharina Bluhm im Frühjahr 2007 Vertreter von 311 Unternehmen zwischen 50 und 1000 Mitarbeitern befragt.

Nach Einschätzung der Studie spiegeln sich darin die eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der ostdeutschen Firmen wieder. Die erfolgreich rekrutierenden ostdeutschen Unternehmen hätten mit der mangelnden Attraktivität ihrer Region und den tendenziell geringeren Gehältern zu kämpfen. Die Standortbedingungen würden fast nur von Unternehmen in sogenannten Leuchtturmregionen wie Jena, Leipzig oder Dresden positiv eingeschätzt. Als Vorteil werten die ostdeutschen Befragten die ausgebaute Hochschullandschaft in der Region.

Zwar lasse sich weder im Osten noch im Westen ein genereller Mangel an Führungskräften feststellen, doch hätten ostdeutsche Unternehmen deutlich größere Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. Die Suche nach Führungskräften benötigt zudem mehr Zeit. Durchschnittlich suchen die Unternehmen drei Monate. Der Anteil der Unternehmen, die länger als vier Monate suchten, lag im Osten mit 54 Prozent deutlich über dem Wert von 43 Prozent in Westdeutschland. Das hänge vor allem mit Standortfaktoren zusammen.

Eindeutige Unterschiede zwischen Ost und West gibt es nach der Studie beim Thema Kinderbetreuung. Ostdeutsche Unternehmen räumen der Unterstützung ihrer umworbenen Fach- und Führungskräfte bei der Kinderbetreuung mehr Priorität (32 Prozent) ein als ihre westdeutschen Pendants (23 Prozent). Dabei legen kleinere westdeutsche Unternehmen besonders selten, größere ostdeutsche Unternehmen ausgesprochen oft Wert auf diese Form des Anreizes. Bei den Arbeitsangeboten für Lebenspartner liege das Verhältnis bei 16 zu 13 Prozent. Dagegen erhalten westdeutsche Führungskräfte deutlich häufiger (84 Prozent) variable Entgeltbestandteile als ihre ostdeutschen Kollegen (70 Prozent).

Der Nachwuchs an Führungskräften wird von zwei Dritteln der Unternehmen systematisch aufgebaut. Die ostdeutschen Unternehmen setzen häufiger auf organisierte gruppenbasierte Formen wie Führungskräftenachwuchspool (Ost: 30, West: 16 Prozent) oder Traineeprogramme (Ost: 29, West: 17 Prozent), während westdeutsche Unternehmen eher individuelle Förderung (Ost: 71, West: 86 Prozent) und Assistentenstellen (Ost: 45, West: 50 Prozent) bevorzugen. Außerdem arbeiten Unternehmen gezielt mit Hochschulen bei der Gewinnung von Fach- und Führungskräften zusammen, im Osten mit 63 Prozent deutlich stärker als im Westen mit 53 Prozent.

Eine Reihe interessanter Unterschiede konstatierten die Autoren der Studie auch beim Führungsverständnis. Im Osten werde der fachlichen Qualifikation ein weitaus höherer Stellenwert (51 Prozent) als im Westen mit 35 Prozent eingeräumt. Ebenso halten mehr ostdeutsche Unternehmen (91 Prozent) betriebswirtschaftliche Kenntnisse für erforderlich (West hingegen 84 Prozent). Ein distanziertes Verhältnis zu den Mitarbeitern befürworten im Osten 30 Prozent, im Westen nur 21 Prozent der Befragten.

Nach wie vor, so fasste Katharina Bluhm die Ergebnisse zusammen, bestehen erhebliche Ost-West-Unterschiede. Und während diese im Führungsverständnis abnehmen, dürften die Rekrutierungsprobleme angesichts des demographischen Wandels eher zunehmen. “Ein intelligenter Ausbau der Standortvorteile wird vor diesem Hintergrund umso wichtiger”, so die Soziologin von der Universität Jena.