Sturm der Entrüstung fegt über Nokia

Nokias Ankündigung, die Handyproduktion in Bochum einzustellen, hat in Nordrhein-Westfalen einen Sturm der Entrüstung entfacht.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gab sich über die Entscheidung empört. Der Hersteller habe “in erheblichem Umfang Subventionen” erhalten, sagte er im ZDF-Morgenmagazin.

Man gewinne den Eindruck, “dass es sich bei Nokia um so etwas wie eine Subventionsheuschrecke handelt”, so Rüttgers nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP. Das Unternehmen kassiere hier Subventionen und wandere dann ohne Grund nach Rumänien ab, um dort noch einmal staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Nokia habe in Bochum Gewinne gemacht, sagte Rüttgers im WDR-Fernsehen. Die Behauptungen, die Lohnkosten seien in NRW zu hoch, seien “Unsinn, nichts als Unsinn”.

Nach Angaben der Rheinischen Post sind aufgrund der Werksschließung nicht wie zunächst gemeldet 2300 Stellen, sondern bis zu 4000 Arbeitsplätze in Gefahr. Demnach sind allein 1000 Jobs bei regionalen Zulieferern bedroht. Zudem stehen 1000 Stellen von Leiharbeitern in Frage.

Die IG Metall prüft demnach, an welchen Standorten mit einem weiterem Stellenabbau zu rechnen ist. Oliver Burkhard, NRW-Bezirksleiter der IG Metall, bezeichnete die Schließung als “bodenlose Sauerei”. Das Werk solle nicht geschlossen werden, weil es defizitär ist, sondern weil es “der Gewinnsucht des Nokia-Managements nicht genügt”.

Nach Angaben der Zeitung kassierte der Konzern für den Standort Bochum in den Jahren 1995 bis 1999 vom Land NRW 60 Millionen Euro, vom Bund gab es bis 2007 noch einmal 28 Millionen.

Auf 60 Millionen Euro beliefen sich jetzt auch die Investitionskosten für das neue Werk in Rumänien, hieß es. Nokia greife diesmal zwar nicht direkt auf EU-Fördertöpfe zu, nutze jedoch indirekte Hilfen wie die Verbesserung der Infrastruktur rund um das neue Gelände.

Auch NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa, Nokia habe EU-Mittel verwendet, um den rumänischen Standort Cluj aufzubauen, in den ein Teil der Bochumer Produktion verlagert wird. Nokia bestritt dies. Das Unternehmen habe dafür weder von Rumänien noch von der EU Subventionen erhalten, sagte Nokia-Manager Veli Sundbäck.

Gegenüber der Rheinischen Post verwies Sundbäck zudem auf den “Druck der Investoren”. Die Gewinnmarge sei zwar von elf auf fast 15 Prozent gestiegen. Die Anleger hätten jedoch 16 bis 17 Prozent erwartet. Zudem wolle sich Nokia vom Handyhersteller zu einem Internet-Unternehmen wandeln.

Unterdessen kündigte die Bundesregierung an, gemeinsam mit der EU-Kommission zu prüfen, ob die Verlagerung des Standortes mit Mitteln des EU-Strukturfonds gefördert wurde. “Das darf nicht geschehen”, sagte Hartmut Schauerte (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie.

Nach den jetzt geltenden Regelungen müsse die EU-Kommission bei großen Strukturprojekten prüfen, ob die Förderung zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten an bestehenden Standorten führt. “Ich erwarte von der EU-Kommission, dass sie ihre rechtlichen Möglichkeiten für eine kritische Prüfung voll ausnutzt.”

Nokia hatte das Bochumer Werk vor knapp 20 Jahren gegründet. Es ist der nach Opel größte industrielle Arbeitgeber der Stadt. Die Produktionsstätte war bereits im Jahr 2001 in Gefahr. Damals konnte das Werk noch gerettet werden – Nokia strich 340 der 3000 Stellen.