VDE-Präsident will praxisbezogene deutsche IT-Studenten

‘Fachidiotie’ und ‘Schmalspurausbildung’ sind die Extreme.

Der Verband der Elektronikbranche in Deutschland, VDE, braucht eine andere Art von Elektro- und Informationstechnikern, die weniger Theorie-belastet sein sollen. Das geht aus einer Forderung von VDE-Präsident Klaus Wucherer hervor, der in München dringend empfahl, ein Praxissemester für die betreffenden Studiengänge einzuführen.
Wucherer, nebenher auch Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG, sagte, dass eine solche praxisnahe Ausbildung auch bei den Bachelor- und Masterstudiengängen zu einem obligatorischen Bestandteil des Studiums der Elektro- und Informationstechnik gehören müsse. Ein Bachelor-Studium mit einem integrierten Praxissemester sollte seiner Ansicht nach beim Ingenieurstudium sieben Semester dauern, ein anschließender Master weitere drei Semester. Mit zehn Semestern Gesamt-Studiendauer wäre ein solch zweistufiges System deutlich kürzer als die jetzige Durchschnittsstudienzeit in Deutschland, argumentierte Wucherer.

Der VDE-Präsident wendet sich gleichzeitig gegen Bestrebungen, das Bachelor-Studium im Ingenieurbereich auf sechs Semester zu verkürzen. Die Berufsbefähigung der Bachelor-Absolventen habe absolute Priorität. Dazu gehörten Industriepraktika sowie Studien- und Abschlussarbeiten meist in Verbindung mit Aufgaben aus der Industrie. “Mit dem Bachelor darf nicht ein Kurzstudium mit niedrigem Niveau der Absolventen eingeführt werden. Die bisherige Qualität der Ingenieurausbildung Deutschlands muss,” so Wucherer, “vielmehr auch bei der konsekutiven Ausbildung erhalten und weiter entwickelt werden.”

Die Besonderheit der deutschen Ingenieurausbildung liege bisher darin, dass mit dem bewährten Diplomabschluss auch das selbständige, anwendungsorientierte Arbeiten und die Berufsfähigkeit nachgewiesen werden konnten. Die Vorzüge der gestuften Abschlüsse liegen in einer hohen internationalen Transparenz und Flexibilität. Die Vorteile beider Systeme sollten kombiniert werden. In der jetzigen Situation, in der sich die Wirtschaft noch abwartend verhält und das Diplom weiterhin eine hohe Akzeptanz findet, sei es problematisch, den oft beschworenen Wettbewerb auszusetzen und die neuen Abschlüsse per Gesetz zum Regelfall zu machen, wie dies zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen geschehe. Wucherer warnte davor, mittels der neuen Abschlüsse die Ausbildung an Fachhochschulen und Universitäten weiter anzugleichen. Die Unübersichtlichkeit der Abschlüsse werde so erhöht statt abgebaut. Beide Ausbildungsstätten sollten sich auf ihre Kernfähigkeiten konzentrieren.

Das bedeutet seiner Ansicht nach für die Fachhochschulen die Weiterentwicklung ihres Profils mit praxisorientierten Studienangeboten und anwendungsorientierter Entwicklung während die Universitäten mit ihrem forschungsorientierten Profil weiterhin die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Forschung übernehmen könnten. Im Miteinander beider Hochschultypen sollte die Stärke der deutschen Ingenieurausbildung liegen.