Software-Patente: Pläne der EU reißen Gräben auf

Die Richtlinie zum Patentrecht in der EU hat ihren hauptsächlichen Pferdefuss, die Patentierung von Software, zunächst abgelegt. Die heftige Kritik der Linux-Entwickler hält aber an, und in Brüssel wird weiter gestritten.

Mit der Verhandlung des EU-Petitionsausschusses sind die EU-Patentrechte wieder für die IT-Gemeinde interessant geworden. Heute wird schließlich entschieden, wie weit die Eingriffe der Patentrichter in computergestützte Erfindungen gehen sollen und wie sich letztlich die betroffenen Software-Designer und der Mittelstand umzustellen haben. Die von Anwendern und Mittelstand eingereichte Petition zwingt die EU-Organe zu einer verbindlichen und irreversiblen Aussage zu so genannten Software-Patenten.
Doch der Ausgang der Diskussionen, die noch einige Wochen andauern dürften, ist weiter offen. Der Beschluss des EU-Parlaments vom vergangenen Mittwoch, den Vorschlag der EU-Kommission zur Patentierbarkeit “computerimplementierter Erfindungen” stark einzuschränken, wurde von der EU-Kommission mit Verstimmung zur Kenntnis genommen.

Auch die Gesellschaft für Informatik (GI), die 20.000 IT-Profis und mittelständische IT-Unternehmer vertritt, hatte sich im Vorfeld bereits zum Großteil kritisch mit den EU-Plänen auseinandergesetzt und sich um ein differenziertes Bild bemüht. Nun waren sich die ITler aber offenbar einig und nannten die Beschlüsse vom Mittwoch letzter Woche Europa-feindlich. Die von den Parlamentariern verabschiedete Vorlage sehe schließlich vor, dass Geschäftsmethoden keinen staatlichen Monopolschutz genießen und patentierbare Erfindungen auch im Computerbereich durch einen Bezug auf die Technik stark eingegrenzt werden.

GI-Vizepräsident Andreas Stöckigt interpretierte die EU-Beschlüsse so, dass die Informatik offenbar für die Parlamentarier nicht mehr zu Technik zähle. Er sagte: “Der Vorschlag der Kommission ist im Eiltempo in sein Gegenteil verkehrt worden und dies nach drei Jahren Diskussion zu diesem Thema.” Die Industrie, so erklärte er, müsse für Patente, die Computerprogramme nutzen, künftig eine lizenzfreie Implementierung zur Verfügung stellen. Stöckigt: “Diese Programme können dann natürlich auch in Ländern, in denen das Patent nicht angemeldet wurde, genutzt werden.”

Die negativen Folgen seien absehbar, so der GI-Vizepräsident: “Es steht zu befürchten, dass innovative Firmen verstärkt in anderen Wirtschaftsräumen ihre Erfindungen anmelden werden. Der Wirtschaftsstandort Europa wird durch die Entscheidung des EU-Parlaments langfristig Schaden nehmen. Die Parlamentarier wären gut beraten, sich die Folgen ihres Handelns noch einmal genau vor Augen zu führen”.

Ähnlichen Widerstand gibt es auch in der EU-Kommission. Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein hatte am Rande der Abstimmung über die vielen Änderungsanträge den Parlamentariern zu verstehen gegeben, dass “98 Prozent” der Änderungen nicht dem Willen der Kommission entsprächen. Diese hatte die Direktive ursprünglich rasch beschließen wollen und sieht sich nun vor die Tatsache gestellt, dass der Ausgang sehr unsicher geworden ist. Sicherheit besteht nur darüber, dass es weit länger als geplant dauern wird. Doch die Dauer der Entscheidungsfindung ist weiterhin offen.

Der nächste Schritt im Prozedere besteht nun darin, dass die Kommission aus dem heftig kritisierten, eigenen Papier und der Mehrheitsposition des Parlaments einen “gemeinsamen Standpunkt” formuliert und diesen dem Ministerrat vorlegt.

Sodann geht der Prozess in seine zweite Lesung und kehrt damit wieder ins Parlament zurück. Stimmen dort mehr als 314 Abgeordnete, also die absolute Mehrheit, gegen den revidierten Entwurf der Kommission, wird ein so genanntes Vermittlungsverfahren eingeleitet. Dieses paritätisch von Rat und Parlament besetzte Vermittlungsgremium tagt dann maximal sechs Wochen. Gibt es dort keine Einigung, wackelt die gesamte Direktive. Das Parlament hat inzwischen, so heißt es bei der dpa, den Zeitplan kritisiert. Nun steht eine Petition gegen Software-Patente im Petitionsausschuss des Parlaments zur Debatte, was offenbar als weitere Verzögerung einer verbindlichen Entscheidung gesehen wird.

Schließlich sei im Parlament bereits die Entscheidung gefallen, den umstrittenen Artikel 3 zu streichen. Doch das politische Verfahren der Gremien verlangt, dass von einer Unterstützergruppe vorgelegte Petitionen noch einmal gesondert behandelt werden. Die Petition wurde von etwa 280.000 Personen unterzeichnet, davon ein Großteil aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mehr Klarheit in der Formulierung einer EU-Direktive erhofft sich die GI. Formulierungen wie “Programme als solche” seien nicht definiert, ließen den EU-Staaten und den dort ansässigen Patentanwälten jeden nur denkbaren Freiraum. Auch dazu ist ein Passus in der Petition enthalten, die am Dienstag verabschiedet werden soll.