Outsourcing ist nur theoretisch sehr schön, sagen die Anwender

Offenbar liegt bei den derzeit aktuellen Outsourcing-Angeboten noch einiges im Argen. Richtig begeistert sind nur die Anbieter selbst und die Finanzer der Kunden.

Inmitten der Outsourcing-Welle gibt es bereits erste Erfahrungen und damit auch erste kritische Stimmen. Erfahrene IT-Profis äußerten gegenüber silicon.de Zweifel ob der Blauäugigkeit, mit der viele Kollegen an die Sache herangehen. Auch wenn der Outsourcing-Markt als solcher stetig wächst und die Anbieter einen Vertrag nach dem anderen abzuschließen scheinen, so raten die Nutzer doch dazu, einige Sicherheitsregeln strikt zu beachten und keine übereilten Entscheidungen zu treffen. Das anschließend zuweilen notwendige Zurück-Integrieren sei schließlich ein kniffliges Unterfangen. Ein erster Schritt bleibt die Pflege der IT, oft sind dann die geforderten Einsparungen selbst zu machen. Anwender raten Anwendern:
Dietmar S.* ist in der IT-Abteilung eines Mittelständlers beschäftigt und stellt zunächst fest: “Fast jedes Unternehmen hat heute Teile seiner IT ausgelagert. Dies ist ein ganz normaler Vorgang.” Dennoch müsse der Kunde das ‘Was’ und ‘Wie’ genau überlegen. Wer hier undifferenziert vorgehe, “hat oft jahrelang nichts in Richtung Optimierung getan. Auf dieser Basis ist das Outsourcing dann quasi ein Befreiungsschlag, der sich mittelfristig nicht rechnet und zu erheblichen Problemen führt.”

Der bei einem Softwareunternehmen tätige Robert K.* ist ebenfalls der Meinung, dass Outsourcing eine sinnvolle Sache sein kann, in manchen Fällen sogar eine Notwendigkeit sein sollte. Doch ihm fällt bei der breiten Diskussion um das Thema auf: “Während noch vor wenigen Monaten das Outsourcing eher als risikobehaftet galt (auch unter dem Aspekt der seinerzeit dramatischen Zusammenbrüche von Providern), wird heute nun die Aussage getroffen, dass Unternehmen, die sich für den internen Betrieb ihrer IT-Systeme entscheiden, ihre Ressourcen gewissermaßen in ein Schwarzes Loch werfen würden.” Derartige Pauschalurteile hält er für haltlos.

Richtig ungehalten wird der IT-Leiter* eines deutschen Reiseunternehmens, wenn er so etwas hört. Er hält solche Aussagen schlicht für “Schwachsinn”. Schließlich, so fügt er an, habe er bereits auf beiden Seiten gearbeitet: “Viele Jahre bin ich nun schon in der Unternehmens-IT. Und ein kurzer Wechsel zu einem der größten Outsourcer der Welt hat mir sehr schnell gezeigt, dass Outsourcing nur in sehr wenigen, sehr speziellen Fällen zu einer Serviceverbesserung, in den seltensten Fällen aber zu einer Kostenreduktion führt.” Um zu vermeiden, dass “alles von hinten bis vorne schön gerechnet” werde, rät er Kollegen zur Vorsicht. Ein kreativer Vorschlag seinerseits: “Man sollte Outsourcing-Partner nur von den tatsächlichen Einsparungen bezahlen. Allerdings wird man dann wohl keinen mehr finden.”

Die Wahl des Partners sei von extremer Wichtigkeit. Das ist die Grunderkenntnis eines in einem internationalen Produktionsunternehmens tätigen DV-Profis*. Er hat vor allem Erfahrungen mit TK-Outsourcing gesammelt, die er als “leidvoll” bezeichnet. “Auch bei einem guten Outsourcer können Systemausfälle vorkommen; hier sind insbesondere die zur Zeit, besonders im Frankfurter Raum, beträchtlichen Leitungsausfälle zu nennen.” Weiterhin weist er auf den Verlust von Know-how als beträchtlich aus, wenn man klassisches Outsourcing betreibt. “Die totale Abhängigkeit kann nicht das Ziel sein.” Rein theoretisch, so betont er, sei das Thema attraktiv und einfach, jedoch: “Es gibt hier immer sachliche Gründe der Praxis, die dagegen sprechen, ein totales Outsourcing zu betreiben.” Auch den Beratern bei einem solchen Projekt rät er, offenbar aus erster Hand, dazu ihre Praxiserfahrungen zu verbessern und Statistiken zuhause zu lassen.

Abschließend einige Betrachtungen eines CIO* aus der Versicherungsbranche. Er beschreibt ein Szenario, wie er es aus vielen Gesprächen mit Kollegen kennt: “Vorher ist das Thema hoch politisch, ein Mächtiger des Kunden will es, die Outgesourcten sind oft unwissend oder mit Maulkorb versehen. Während des Outsourcings ist die Situation folgendermaßen: der Mächtige ist noch da, die ausgelagerten Kollegen sind nun interessierte Partei oder arbeitslos oder woanders, und wegen Corpsgeist herrscht Schweigen beim Kunden des Outsourcers. Wenn sich dann die Meinung ändern sollte, ist es entweder zu spät, um etwas zu tun, oder es wird ‘zurückgesourced’ und auch nicht mehr drüber geredet.”

Seine Bedenken gegen klassisches Outsourcing benennt er so: “Die IT-Leistung ist so vielfältig und solchen Änderungen pro Zeit unterlegen, dass eine vertragliche Formulierung mit längerfristig vorhersehbaren Kosten unmöglich ist. Und ein Rückbau – wenn es denn nicht mehr passt, aber noch möglich ist – ist ein teurer Kraftakt.” Denn zunächst sei IT-Outsourcing inhaltlich ein Erfolg, da Kosten und  Leistung die Erwartungen treffen. Später aber sieht er die Vorteile verschwinden. Für ihn ist klar: “Zur Zeit ist Outsourcing ‘in’, da Geld sehr knapp und der IT-Betrieb ein sehr sichtbarer Kostenfaktor ist.” Viel spannender findet er ‘Infrastructure on Demand’. “Ein viel flexibleres aber auch viel schwierigeres Konzept als Outsourcing. Bin gespannt, wie sich das entwickelt.”

* = vollständiger Name der Redaktion bekannt