Auf geht’s, Mannesmänner!

Das heißt, eigentlich ist es weniger ein Prozess als ein Lehrstück.

Das heißt, eigentlich ist es weniger ein Prozess als ein Lehrstück. Obwohl einige Beteiligte doch arg belehrend auftreten, was ja meist dazu führt, dass es wenig lehrreich wird. Aus dem vorliegenden Fall allerdings kann man gerade deswegen viel lernen.
Aus der Sicht der Angeklagten stellt sich die Angelegenheit ja offenkundig nicht so sehr als ein Strafverfahren wegen Untreue dar, denn als Nachhilfe in Sachen leistungsorientierter Jurisprudenz, erteilt durch die deutsche Manager-Elite. Es geht um Legitimation durch Leistung – auch vor Gericht. 

Und da sieht die Manager-Elite wohl noch einigen Nachholbedarf. Hat doch die – ansonsten ja nicht mehr sehr populäre – Gleichmacherei im hiesigen Rechtssystem immer noch Verfassungsrang.

Das Gericht habe zu konzedieren, “dass Entscheidungen in der Wirtschaft anders gefällt werden als Entscheidungen in der Verwaltung oder Jurisdiktion”, stellte der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann denn auch gleich zum Prozessauftakt erst einmal klar. Der Mann ist Ausländer, Schweizer, aber doch sehr integrationsfähig.

Das angestammte Rechtsempfinden deutscher Eliten hat er sich jedenfalls schon zueigen gemacht. Man hört förmlich den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 – 1688): “Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.” Und was dem Untertanen im Bezug auf seine Obrigkeit ziemt, das gilt wohl auch für den gemeinen Justizbediensteten hinsichtlich eines der Bedeutendsten seiner Wirtschaftsführer.

Aber seit den Zeiten des Großen Kurfürsten ist in dieser Hinsicht ja augenfällig einiges durcheinander geraten. Heute stellt man Topmanager wegen Untreue (§266 StGB) vor Gericht, obwohl dieser Straftatbestand doch – rechtshistorisch gesehen – eigentlich für gewöhnliche Kassierer geschaffen wurde. Leute, die vielleicht mal ein paar Mark veruntreuen, aber doch nicht die Klasse haben, mit 111 Millionen so zu verfahren. (Und wahrscheinlich ist auch noch kein einziger Jura-Professor auf die Idee gekommen, dass man doch einem Konzernherren die hiesigen Standortnachteile wenigstens durch ein großzügig ausgelegtes jus primae noctis in seinem Reich versüßen könnte.)

Und außerdem geht es im Fall Mannesmann doch eigentlich nur um Peanuts. Genauer gesagt und in der entsprechenden – vom Ackermann-Vorgänger Hilmar Kopper geschaffenen – Einheit ausgedrückt, um 2,22 peanuts. Seit den Vorfällen um Dr. Jürgen Schneider kennt man ja den Wechselkurs: 50 Millionen Mark = 1 peanut.

Das alles führt dann dazu – in den Worten von Josef Ackermann – dass “diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen”. Die Wertschöpfung, aufgrund derer der Deutsche-Bank-Chef Immunität reklamiert, bemisst sich dabei am Aktienkurs. Ackermann: “Das sind eigentlich Binsenweisheiten.”

Wenn man da jetzt aber doch einmal die Maßstäbe seiner beschränkten Einsicht anlegt… Dann merkt man, wie wenig man damit die Handlungen des deutschen Topmanagements erfassen kann.

Just zu Prozessbeginn in Düsseldorf hielt ja in München die Infineon AG ihre Hauptversammlung ab, ein Unternehmen, dessen Papiere nicht so recht performen. Will sagen: Sie notieren immer noch weit unter ihrem Ausgabekurs.

Trotzdem tut man dessen CEO Ulrich Schumacher sicherlich nicht unrecht, wenn man annimmt, dass er es hinsichtlich der legitimatorischen Kraft der Leistung theoretisch durchaus mit Josef Ackermann hält. Schließlich möchte er ja trotz des hiesigen Arbeitsrechts regelmäßig in seinem Konzern die Underperformer unter den Beschäftigten aussortieren.

Sich selbst allerdings hat Schumacher mit einem Optionsprogramm bedenken lassen, dass schon greift, wenn der Aktienkurs um durchschnittlich 0,7 Prozent pro Jahr steigt. Was deutlich unter der Performance eines Sparbuchs liegt.

Was soll man jetzt dazu sagen? – Quod licet jovi non licet bovi, wie es Herrenmenschen seit jeher ausgedrückt haben (Was dem Jupiter ziemt, ziemt dem Ochsen noch lange nicht). Aber: Was soll man Josef Ackermann zurufen? Schwierig!

Obwohl: Das alles gab’s ja schon mal. Nur eben anders herum. Performance heißt schließlich auch Aufführung. Und der unerreichte Meister der Gerichts-Performance war ja seinerzeit Fritz Teufel. Sein Benehmen vor Gericht wurde damals wie heute das von Josef Ackermann als ungehörig empfunden.

Gut, da gibt’s Unterschiede. Teufel hat es eigentlich nie wirklich am nötigen Respekt vor dem Gericht fehlen lassen. Derartiges tut man nicht, wenn man im pietistischen Württemberg aufgewachsen ist. Er war ja schließlich sogar bereit, aufzustehen, “wenn’s der Wahrheitsfindung dient”. Seine Performances waren lehrreich, ohne belehrend zu wirken.

Nein, man darf die beiden wirklich nicht miteinander vergleichen. Vor allem: Fritz Teufel saß jahrelang unschuldig im Gefängnis. Sowas würde Josef Ackermann nie passieren. Teufel war ein Spaßguerillero. Ackermann ist ein Herr – im wahrsten Sinne des Wortes.

Trotzdem: Was wäre denn passiert in den alten 68er Tagen, wenn es um das gegangen wäre, was man damals Klassenjustiz genannt hat, also um die Frage, ob Leute mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund unterschiedlich vor Gericht behandelt werden?

Wie heute wäre es auch damals zu Provokationen im Verhandlungssaal gekommen, und jemand hätte das Victory-Zeichen gemacht. Und dann hätte sicherlich einer gerufen, womit die schwierige Frage denn auch beantwortet wäre: “Josef, der Kampf geht weiter.”