Outsourcing: Die Zeit ist reif für europäische Mega-Deals

Erstmals liegt das Wachstum im Markt für Outsourcing in Europa deutlich höher als in den USA – und das ist erst der Anfang.

Der europäische Outsourcing-Markt mit einem Gesamtvertragswert von rund 200 Millionen Euro wächst zum ersten Mal schneller als der in den USA. Das berichtet TPI, ein in den USA führendes Beratungsunternehmen, das auf Sourcing-Projekte spezialisiert ist. In Deutschland wächst das Geschäft derzeit mit Raten um die 40 Prozent.
“Seit dem Outsourcing-Deal zwischen der Deutschen Bank und IBM ist das Thema auch bei uns hoffähig geworden”, glaubt Bernd Schäfer, als Area Managing Director derzeit mit dem Aufbau der deutschen Niederlassung von TPI betraut. In seinem vierteljährlichen Bericht über den Outourcing-Markt stellt TPI fest, dass die Anzahl der in Europa abgeschlossenen Verträge mit einem Volumen von mehr als 200 Millionen Euro im Vergleich zum Jahr 2002 um 83 Prozent gestiegen ist, von 12 auf 22 Abschlüsse. Der Gesamtwert dieser Verträge entspricht einem Anstieg um 148 Prozent, von 5,2 auf 12,8 Milliarden Euro. 

Im Vergleich hierzu ist in den USA die Anzahl größerer Verträge von 34 im Vorjahr auf derzeit 30 abgesunken. “Die wirklich großen Deals sind in den USA schon gemacht”, meint Schäfer. Allerdings hatten die Deals ein größeres Volumen: Der Gesamtwert dieser Abschlüsse liegt unverändert bei 23,9 Milliarden Euro. In Europa beträgt der durchschnittliche Geldwert für Verträge mit mehr als 50 Millionen Euro jetzt 442 Millionen, was einem Anstieg um 39 Prozent im Vergleich zum Jahr 2002 entspricht.

Weltweit wurden im Jahr 2003 bisher 54 Outsourcing-Deals mit einem Vertragswert von mehr als 200 Millionen Euro abgeschlossen, berichtet TPI. Das sind 6 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Wert dieser Verträge zusammen genommen ist um etwa 10 Prozent gestiegen, von 34 auf 37 Milliarden Euro.

Die Gründe für den Outsourcing-Boom sind weltweit dieselben: “Das Reduzieren von Kosten im Bereich IT ist nach wie vor das Hauptmotiv”, erläutert Schäfer. Als weitere Gründe führt er einen Zuwachs an Flexibilität an, sowie das bessere Management der Geschäftsprozesse.

Vor allem das Outsourcing von Geschäftsprozessen (Business Process Outsourcing, BPO) scheint in Europa gefragt zu sein. Während weltweit der Durchschnittswert solcher Deals um 26 Prozent gefallen ist, zeigt Europa einen gegenläufigen Trend: BPO-Deals wiesen im Jahr 2003 durchschnittlich einen Wert von 300 Millionen Euro aus – in 2002 waren es nur 193 Millionen. Bei 38 Prozent aller derzeit von TPI betreuten BPO-Abschlüsse sind die Kunden europäische Unternehmen. Der Anteil britischer Unternehmen hieran liegt mit 57 Prozent an der Spitze – was auf Nachholbedarf bei den deutschen Kunden in naher Zukunft schließen lässt.

Rund 60 Prozent aller derzeit in Europa laufenden BPO-Transaktionen betreffen die Bereiche Finanzen und Rechnungswesen. Dies wertet TPI als Beleg für den klaren Trend weg von dem einst dominierenden Outsourcing-Bereich im Bereich von Client Relationship Management, (CRM), das vor allem die Bereiche des Call-Centers und des Front Office einschließt. Der Anteil von CRM an allen BPO-Verträgen im Jahr 2003 beträgt bisher 26 Prozent. TPI erwartet jedoch eine Verringerung dieses Segments, bedingt durch den rapiden Anstieg im Outsourcing des Bereichs Finanz- und Rechnungswesen.

Europaweit scheint ebenfalls das Outsourcing von Personalabteilungen im Kommen zu sein – auch wenn allein der Gedanke daran so manchen Betriebsrat in Alarm versetzt. Nur müssen dabei nicht gleich Personalleistungen außer Haus gegeben werden. “Wenn man den Prozess in seine Einzelteile zerlegt, ist das auch sehr gut machbar”, meint Bernd Schäfer. Schließlich erstellt die Datev schon seit Jahren die Lohnabrechnungen im Auftrag Tausender Unternehmen.

Das Thema Offshore-Outsourcing, also die Auftragsentwicklung von Projekten und Anwendungen jenseits der Landesgrenze, kommt sozusagen durch die Hintertür auf die Agenda der deutschen Kundschaft. “Die Pflege der existierenden Installation stellt einen großen Teil der Anwendungsentwicklung dar”, erklärt Schäfer. Allerdings sei das Thema aus deutscher Sicht “um zwei Stufen schwieriger” als für US-Firmen, insbesondere in Richtung Indien. Zum einen wegen der Sprache, zum anderen wegen der Risikoaversion der Kunden. Dieser Umstand bringe allerdings große Outsourcer dazu, selbst in Indien und Osteuropa Ressourcen aufzubauen, um die Nachfrage der Kunden zu bedienen. Schließlich würde das Thema ‘Anwendungsentwicklung’ bereits bei etwa der Hälfte der abgeschlossenen Verträge berücksichtigt, schätzt Schäfer.