“GSM hat unser Leben verändert”

Als Übergangstechnik zum UMTS-Netz geplant, hat es sich GSM nun doch gemütlich gemacht: Der Industrie fehlen Chips, Endgeräte, Geld, Lust, Laune …

Mit Stolz verkündet die Industrie, dass die GSM-Technik mittlerweile über eine Milliarde Nutzer hat. Die Umsätze mit solcher Technik lagen im vergangenen Jahr weltweit bei 277 Milliarden Dollar und sie sollen wegen der hervorragenden technischen Eigenschaften von GSM bis 2005 auf 500 Milliarden Dollar wachsen. Diese Zahlen bringt die Deutsche Bank zum heute beginnenden 3GSM World Congress ins französische Cannes mit.
TK-Spezialist und Deutsche Bank-Analyst Gareth Jenkins hat beim Verfassen der Studie, aus der die Zahlen entnommen sind, eine Wandlung der Technik vom Nischenspieler vor zehn Jahren zu einem der größten und am weitesten verbreiteten Dienste festgestellt. Er vermutet die größten gesellschaftlichen Einflussnahmen der Technik darin, dass sie gerade in Wachstumsmärkten und Schwellenländern problemlos und stabil die Einführung von Mobilfunktelefonie ermöglicht habe. Dies ohne die jeweiligen Länder von begrenzten Standards abhängig zu machen. So habe GSM geholfen, den digitalen Graben zu überwinden.

Jenkins: “Der Schlüssel zum Erfolg von GSM liegt darin, dass ein grundlegendes Kundeninteresse technisch gesehen im Mittelpunkt stand: internationales Roaming. Und dies verlangt geradezu einen offenen, zukunftssicheren Standard, der zwar einerseits Interoperabilität garantiert, jedoch den lokalen Wettbewerb und Innovationen im Land selbst dabei nicht erstickt.” Für ihn ist es daher kein Wunder dass es, wie er in einem White Paper aufzählt, heute mehr GSM-Endgeräte im täglichen Einsatz gibt als die Zahl aller weltweit gebrauchten Fernsehgeräte und private PCs zusammengerechnet. Dank GSM, so schwärmt er weiter, habe die Zahl der GSM-Neukunden im vergangenen Jahr erstmals die der Festnetz-Neukunden überschritten, es waren 198 Millionen neue GSM-Kunden in den letzten 12 Monaten. Das alles, so Jenkins, mache die Feier für den 1-Milliardsten Nutzer zu einem zentralen Thema auf dem aktuellen Mobilfunk-Mekka am Mittelmeer.

Vor allem für den nahtlosen Übergang zu den Netzen der dritten Mobilfunkgeneration, UMTS, und den entsprechenden Diensten sollen die GSM-Anlagen wertvolle Unterstützung sein, erhofft sich die Branche. Besonders in Europa, so melden die Unternehmen von der Messe, soll das zu mehr Wachstum bei den teuer eingekauften Lizenzen führen (immerhin über 100 Milliarden Euro Gesamtsumme in Europa). Doch da sieht es gut aus, meint die Unternehmensberatung Arthur D. Little: Sie setzt ein Wachstumsplus der Branche in 2004 von 7,5 Prozent an. Zuvor hatten die Berater einen Zuwachs um 6,6 Prozent gegenüber 2003 prognostiziert.

Der Optimismus der Berater wird von der Industrie gerne geteilt. Arthur D. Little weist für den Mobilfunkmarkt in einigen europäischen Ländern zwar eine Durchdringungsrate von bis zu 90 Prozent aus, also nahe an der Sättigung, dennoch werde es Zuwächse geben. Die Berater erwarten beispielsweise, dass der Anteil von Mobilfunkgesprächen am gesamten Telefonverkehr auf Kosten des Festnetzes wachsen wird. Zudem könnten Lösungen für Unternehmen, etwa für Außendienstmitarbeiter, sowie neue Datendienste wie das Verschicken von Fotos die Erlöse antreiben. Laut Studie wird das Wachstum solcher Multimediadienste in den nächsten Jahren jedoch geringer ausfallen, als zunächst angenommen. Auch beim Marktforschungsunternehmen Gartner erwarten die Fachleute statt des bisherigen Lösens von offensichtlichen Problemen wieder mehr Innovation von der Branche.

Jedoch: Bevor tatsächliche Neuerungen die Regale bevölkern, heißt es zunächst einmal alte Versprechen zu erfüllen. Schließlich, auch dies ist eine viel diskutierte Meinung in Cannes, fehlen auch im Jahr 3 nach der versprochenen UMTS-Einführung die aktiven Netze und vor allem die Endgeräte. In den versammelten Fachkreisen wird offen das Jahr 2005 genannt als das Jahr, in dem es endlich Handsets für UMTS in Hülle und Fülle geben soll. Derzeit, so Jan Sythoff von Forrester Research bei einem Rundgang über die Ausstellung, gebe es zwar einige Gerätetypen. Diese seien jedoch unhandlich, verbrauchten immer noch zuviel Strom, würden zu heiß und ließen in Qualität und Gewicht noch sehr zu wünschen übrig.

Das wollen die angeschlossenen Unternehmen nun anpacken. Texas Instruments will sich beispielsweise wieder mehr als der Spezialist der mobilen Geräte-Chips ausweisen und seine bekannten Stärken gegen Intel & Co. ausspielen. Auch das, so ein Unternehmenssprecher, sei unabdingbar für eine baldige Einführung der teilweise gar nicht mehr erwarteten Technik. Schließlich ist in Japan die schnelle, bandbreitenintensive Übertragung von Multimedia schon seit zwei Jahren ein alter Hut.