Outsourcing: IBM-Mitarbeiter proben den Aufstand

IBMs Ankündigungen, in diesem Jahr 5000 US-Stellen zu schaffen, sind heiße Luft, sagen Mitarbeiter. Big Blue soll die Öffentlichkeit mit geschönten Rechnungen täuschen.

Viele IBM-Mitarbeiter in den USA sind sauer. Big Blue rechnet sich die Welt schön, sagen sie. Das Unternehmen hat Anfang Januar verkündet, in seinem Stammland in diesem Jahr 5000 neue Stellen zu schaffen. Gleichzeitig sollen 3000 US-Jobs in Niedriglohnländer ausgelagert werden. Nach dieser Rechnung schafft IBM heuer in den USA 2000 neue Jobs.
Das ist eine Milchmädchenrechnung, protestieren IBM-Mitarbeiter. Wird IBM als Outsourcing-Dienstleister engagiert, übernimmt das Unternehmen normalerweise auch etliche Mitarbeiter des Auftragebers. Die Kritik: IBM begrüßt die Neuen am Haupteingang. Und bittet viele von ihnen durch die Hintertür wieder hinaus.

Nach Angaben des Wall Street Journal kamen 1998 etwa 2000 AT&T-Beschäftigte zu IBM. Drei Jahre später übernahm Big Blue 2000 American-Express-Mitarbeiter. Im letzen Jahr hat IBM seinen Mitarbeiterstamm um 4000 Beschäftigte von J.P. Morgan Chase und 1290 ABB-Angestellte erweitert. Big Blue feiert diese Mitarbeiter in der Öffentlichkeit als Neueinstellungen, sagen die Kritiker. Nach kurzer Zeit wurden sie jedoch wieder entlassen oder ihre Jobs wurden ausgelagert.

Bleiben die Neuzugänge im Unternehmen, haben sie oft unter Kürzungen bei Lohn oder Leistungen zu leiden. IBM könne nicht mitteilen, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen über Outsourcing-Verträge eingestellt und wie viele man von diesen entlassen oder deren Jobs ausgelagert habe. IBM habe aber bestätigt, dass die Beschäftigungsgarantien für die übernommenen Mitarbeiter “relativ kurzfristig” gelten. Nicht länger als ein Jahr, sagen Marktbeobachter.

Die IBM-Mitarbeitervertretung ‘Allianz@IBM’ hat jetzt Alarm geschlagen. Viele IT-Profis haben Angst davor, von IBM übernommen und nach ein oder zwei Jahren durch Niedriglohnkräfte ersetzt zu werden, sagte Lee Conrad, Allianz@IBM-Chef, der US-Presse. Seine Organisation verzeichnet rasanten Zuwachs: Allein in den letzten sechs Monaten sei die Mitgliederzahl der Organisation von 5000 auf 6000 gestiegen.

IBM-Sprecher John Bukovinsky riet derweil  dazu, die Kirche im Dorf zu lassen. Im letzten Jahr hätten weit mehr Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlassen, als IBM Jobs ausgelagert habe, sagte er in US-Medien. Das Unternehmen biete den von Entlassung bedrohten Mitarbeitern Weiterbildungen an.

IBM solle lieber die Mitarbeiter zurückholen, die man in den letzten Jahren entlassen habe, als neue einzustellen, zeigt sich die Allianz@IBM kampfbereit. Auf ihrer Website www.allianceibm.org bietet die Mitarbeitervertretung Mustertexte an, mit denen man per Brief an einen Kongressabgeordneten oder an IBM-Chef Samuel Palmisano gegen Big Blues Outsourcing-Aktivitäten Front machen kann.

Besonders bei den Abgeordneten dürften die Briefe auf großes Interesse stoßen. Outsourcing ist in den USA Wahlkampfthema. Der US-Senat hat gerade mit 70 zu 26 Stimmen eine Gesetzesergänzung angenommen, nach der die Steuereinnahmen des Bundes nicht dazu genutzt werden dürfen, US-Jobs auszulagern.  Der Vorschlag stammt vom demokratischen Senator Christopher Dodd. Dodd und Gleichgesinnte haben kürzlich die Anti-Outsourcing-Organisation ‘Jobs and Trade Network’ (JTN) gegründet.

Dodds unabhängiger Kollege Bernard Sanders hat am 4. März den ‘Defending American Jobs Act of 2004’ im Kongress vorgestellt. Sanders wird nach eigenen Angaben von insgesamt 50 Abgeordneten beider Parteien unterstützt. Gegenstand des Gesetzes: Unternehmen bekommen keine Unterstützung mehr, wenn sie in Krisenzeiten in den USA prozentual mehr Mitarbeiter entlassen, als im Ausland.

Die nächste IBM-Hauptversammlung findet am 27. April in Providence, Rhode Island, statt. Die Allianz@IBM wird den Antrag einbringen, über die Outsourcing-Praxis des IBM-Managements zu diskutieren. Unterstützt wird sie dabei von der Gewerkschaft ‘Communication Workers of America’ (CWA). Die gegenwärtige IBM-Lohnpolitik könnte das Management dazu verleiten, Jobs leichtfertig auszulagern, anstatt die langfristigen Folgen dieser Entscheidung zu bedenken, sagte CWA-Sprecherin Candice Johnson. Nach der Hauptversammlung soll es eine Protestkundgebung geben.