Grid-Piloten für Maserati und den Allrad-Smart

Magna Steyr gehört zu den ersten Unternehmen in Europa, die Grid-Infrastrukturen implementieren. Crash-Simulationen dauern jetzt Stunden statt Tage.

Magna Steyr gehört zu den ersten Unternehmen in Europa, die Grid-Infrastrukturen implementieren. Zur den Dienstleistungen des agilen Unternehmens gehört es, zu prüfen, ob Fahrzeugkomponenten zueinander passen. Diese Prüfung dauerte bislang drei Tage. Mit dem Grid benötigt nun derselbe Vorgang gerade mal drei bis vier Stunden.
Rund 2,6 Milliarden Dollar sind im Jahr 2006 nach Berechnungen der Marktforscher von IDC mit Grid-Computing in der produzierenden Industrie zu verdienen. Ingesamt steigt der Umsatz in diesem IT-Sektor um 83 Prozent jährlich, so dass der weltweite Markt im Jahr 2007 ein Volumen von 13 Milliarden Dollar generieren kann. Zu den Anbietern, die sich in diesem Bereich tummeln, gehören mitunter IBM, Sun, Hewlett-Packard und Silicon Graphics. Die Grid-Anwendung bei Magna Steyr ist eine Referenzimplementierung von Platform Computing, Dassault Systems und IBM.

Ihre Wurzeln hat die Magna Steyr AG & Co. KG im 1864 gegründeten österreichischen Unternehmen Steyr. Zur heutigen Firmenbezeichnung gelangte die Firma 2001 nach der Übernahme von Daimler-Steyr-Puch im Jahr 1989 durch den kanadischen Konzern Magna International Inc. Das Unternehmen mit 11.000 Mitarbeitern plant und baut Autoteile bis hin zu kompletten Fahrzeugen sowie Weltraumtechnik. Vor einem Monat übernahm der Automotive-Konzern den Bereich Engineering der französischen Group Duarte.

Die Produktion von Fahrzeugen soll im Werk Graz heuer noch auf mehr als 1100 pro Tag anwachsen:  DaimlerChrysler lässt dort die Geländewagen der G-Klasse, die allradgetriebenen 4matic-Modelle der E-Klasse sowie die amerikanischen Modelle Jeep Grand Cherokee und Chrysler Voyager bauen, für Saab montieren die Österreicher das 9-3 Cabrio und für BMW das ‘Sport Utility Vehicle’ X3.

Zudem tüfteln die Konstrukteure von Magna Steyr für die Daimler-Chrysler-Tochter Smart an einem Allradauto, das 2006 als Smart Formore auf den Markt kommen soll. Und für die italienische Nobelmarke und Fiat-Tochter Maserati entwickeln sie einen neuen Sportwagen. Zu 90 Prozent entstehen die Konstruktionen mit Hilfe des CAD-Werkzeugs  (Computer Aided Design) ‘Catia’ von Dassault Systems, das in Österreich von IBM vermarktet wird. Daneben nutzen die Entwickler CAD-Unigraphics und das Werkzeug ‘Pro Engineer’ von PTC.

Ein Netz für virtuelle Autos

Die Simulationstests, bei denen die CAD-Modelle daraufhin überprüft werden, ob sie zueinander passen, liefen bisher auf den einzelnen Workstations der Konstrukteure. Davon gibt es bei Magna Steyr 350, verrät Heinz Mayer, dortiger Abteilungsleiter Engineering Systeme. Um bei diesen Kollisionstests die so genannte ‘geometrische Stimmigkeit’ prüfen zu können, werden aus den CAD-Vorlagen ‘digitale Mock-up-Modelle’ (DMU) abgeleitet. Für diese virtuelle Welt steht den Konstrukteuren die Dassault-Applikation ‘DMU.Navigator’ zur Verfügung. Da nicht jeder Entwickler an seinem Arbeitsplatz die gesamten Stimmigkeitstests ausführen kann, übernahm bisher jeder Konstrukteur aus den etwa vier- bis fünfköpfigen DMU-Teams jeweils einen anderen Teil des Fahrzeugs.

Die Ergebnisse, die festgestellten Kollisionen, ergeben eine Liste, die in eine Datenbank geschrieben wird. Die relativ lange Zeitdauer für einen einzigen Kollisionstest habe für ein komplettes Fahrzeug etwa drei Tage gedauert, berichtet Mayer. Die Folge: Erste Konstruktionsänderungen waren schon erfolgt, noch bevor die Tests beendet waren.

Das Grid soll diese Schwierigkeit beseitigen. “Wir haben uns gewünscht, dass die Tests so auf alle freien Workstations verteilt werden kann, dass sie über Nacht und ohne Benutzerinteraktion die Aufgaben erfüllen können. Die Konstrukteure sollten morgens eine aktuelle Liste mit Kollisionen vorfinden”, sagt Abteilungsleiter Mayer. Bis dato blieben die Rechner in der Regel zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr ungenutzt. Lasse sich freie Rechnerkapazität für die DMU-Tests nutzen, brauche Magna Steyr nicht einmal zusätzliche Hardware.

Workstations verschmelzen und Aufgaben teilen sich

Zusammen mit den Softwarepartnern und IBM setzte Mayer ein Pilotprojekt auf. Dassault und IBM haben einen Industriepartner für ein Grid-Projekt gesucht, erinnert sich der Engineering-Spezialist. “Ich aber hatte mich vorher schon einmal mit Grid-Computing auseinander gesetzt und war nun neugierig”, beschreibt er die Ausgangslage.

Speziell für diese Anwendung musste Dassault gemeinsam mit IBM einen Algorithmus entwickeln, der die Testaufgaben zerstückelt, so dass sie auf die verschiedenen Maschinen verteilbar sind. Die erledigen nun die Überprüfung wie zuvor die einzelnen Teammitglieder, allerdings automatisiert. Laut Mayer lässt sich derselbe Algorithmus bei jedem Fahrzeugtyp einsetzen.

Das Besondere an der Magna-Steyr-Konfiguration besteht darin, dass der Grid-Pilot nicht in einer Testumgebung läuft, sondern auf Produktivmaschinen. Insgesamt stehen dafür zehn Workstations mit insgesamt 20 CPUs zur Verfügung, IBM RS/6000 der Serien 260, 270 und 275, sowie Sun Blade 1000. “Wir hatten für den Grid-Versuch nur ungenügend Kapazität auf den Entwicklungs-Computern”, erläutert Mayer. Um den entwickelten Algorithmus zu testen und Seiteneffekte als Folge der Parallelisierung von Aufgaben auszuschließen, startete der Abteilungsleiter jedoch einen ersten Versuch auf drei Workstations.

Die Umstellung auf den Automatikbetrieb sei vergleichsweise harmlos gewesen, beteuert Mayer. Zum Beispiel sei die Datenverfügbarkeit gegeben gewesen. “Es macht keinen Unterschied, ob der Computer alleine rechnet oder die Tests von Hand gesteuert werden”, so der Teamchef. Zudem ließ sich die Grid-Software, beziehungsweise die Master-Slave-Konfiguration für die Job-Steuerung und das Benutzer-Management, zentral installieren. Der Gesamtaufwand belief sich auf zwei Wochen. Sollten weitere Workstations zum Grid dazukommen, nähme die Einbindung etwa eine halbe Stunde in Anspruch.

Für Abteilungsleiter Mayer ist der Grid-Pilot erfolgreich: “Nach bisherigen Erkenntnisssen dürfen wir vor allem größere Qualität bei der Entwicklung erwarten.” Jedenfalls hat er einen Projektantrag gestellt, nach dem die gesamte Konstruktion in die Grid-Struktur integriert werden soll. Allerdings ist noch offen, welcher Hersteller die Grid-Software liefern darf. In Frage komme anstelle von ‘Load Sharing Facility’ (LSF) des Anbieters Platform Computing etwa auch ‘PBS Pro’ von Altair oder die ‘Grid Engine’ von Sun.