Bill, Scott und Larry

Beispielsweise, dass es doch eine tolle Branche ist, in der man arbeitet. Mit tollen Menschen.

Beispielsweise, dass es doch eine tolle Branche ist, in der man arbeitet. Mit tollen Menschen.
Nein, nicht die vielen namenlosen Schrauber und Lines-of-Code-Hacker sind jetzt damit gemeint. Sondern die großen Führungspersönlichkeiten, deren Personality-Stories PR-Agenturen den Schreibern immer so geschickt in die Feder diktieren.

Von den großen Führungspersönlichkeiten gibt es nämlich in der IT-Industrie mehr als in jeder anderen Branche. Die Financial Times hat William Henry Gates III eben wieder zu “The World’s Most Respected Leader” gewählt.

IT-Chefs sind populär. Bill, Steve und Larry – da weiß jeder, wer gemeint ist. Wer hingegen kennt schon Jürgen, Bernd und Helmut?

Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobil-Unternehmen kennt man zumindest nicht unter ihren Vornamen, weil man nie auf die auf die Idee kommen würde, sie damit anzureden. Die IT-Konzernherren hingegen nennt jeder bei ihren Kleine-Buben-Namen.

Und auch deswegen ist es eine tolle Branche: Sie ist ein einziger Jungbrunnen. In anderen Wirtschaftszweigen altert man ja ungleich schneller. Das deutsche Popsternchen Jasmin Wagner etwa war schon mit 20 zu vergreist, um fürderhin als “Blümchen” durchgehen zu können.

Die IT-Chefs hingegen bewahren sich bis ins siebte Lebensjahrzehnt hinein die Attribute jugendlichen Überschwangs. Larry etwa hat diese Woche wieder mal einen Fight gewonnen.

Eigentlich handelt es sich dabei lediglich um die 10 Milliarden Dollar teure Übernahme der Kundendatei von Peoplesoft. Ausgeführt aber wurde die wirtschaftliche Transaktion im Stil einer Schlägerei rivalisierender Jugendbanden.

Da tönt dann der Anführer der einen über jenen der anderen, wenn er eine Waffe und nur eine Kugel hätte, dann wäre es nicht der Hund seines Ex-Kumpels “Craigy”, den er erschießen würde. Heranwachsende halten Gewalt ja oft für einen Ausweis von Männlichkeit.

Und überhaupt die Jugendsprache! Manchmal grob ist sie, manchmal verspielt. “b2b” klingt aber auch viel flotter als “Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen”. Und provokativ ist die Jugendsprache. So wirbt Steve, ein anderer Junggebliebener – er wird in zwei Monaten 50 – für seine Rechner mit einem gespielten Grammatikfehler: “Think different”.

Von Bill wiederum ist das Bild, das man am häufigsten im Internet findet, jenes, das die Polizei von ihm als 21-Jährigem wegen eines Verkehrsdelikts gemacht hat. Auch Bill hat damit schon einmal jugendtypisch geworben.

“Gut dass es für Software keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt”, hat er darunter schreiben lassen. Wenn sie’s aber gäbe – bei der Time-to-Market – dann wären vielleicht die Alt-, die Control- und die Delete-Taste nicht immer so abgegriffen. Aber das geht in den Kopf eines jugendlichen Rasers nicht hinein.

Na ja, und ihre aufwallenden Gefühle haben Adoleszente natürlich auch noch nicht so recht im Griff. Da wird dann damit geprahlt, wie viele “Babes” man schon hatte.

Auf der Oracle World letzte Woche gab’s bezüglich der “Babes” mal wieder viele Andeutungen über Larry. Das wäre auch in keiner anderen Branche möglich, dass im Rahmen einer Keynote-Speech über die eventuelle Promiskuität des betagten Vorstandsvorsitzenden spekuliert wird.

Scott allerdings hat sich für ein andeutungsreiches Video über Larry, das vor seiner Rede lief, mit Blick auf seine Frau entschuldigt. Scott ist anders.

Der war auch mal jung, ein richtiger Heißsporn sogar. In seinem Laden ging es lange Zeit zu wie in einer Jugendsekte. Dauernd war da von Visionen und Evangelisten die Rede.

Mal war’s Java, mal der Netz-Computer. Das hat die Visionäre seinerzeit so umgetrieben, wie es heute das Grid tut.

Scott war doktrinär, wie man nur in jungen Jahren sein kann. Ein Anhänger der reinen Lehre. Er ließ nichts anderes gelten – nur Sparc und Solaris.

Heute hingegen bekommt man von ihm auch Opteron, Linux und sogar Windows. Und auch für das Grid evangelisiert niemand von Scotts Leuten.

Gut, das kann daran liegen, dass Scott lieber große und teure Server verkauft, als billige zusammengeclusterte PCs. Vielleicht hat’s aber auch einen anderen Grund.

Auf der Oracle World hat er den Grid-Visionären einen Prototyp seines künftigen multithreading-fähigen Prozessors hingehalten und gesagt: “Das ist ein Grid-on-a-Chip.”

Abgeklärt und gelassen ist er. Und Humor hat er. Wahrscheinlich liegt’s daran, dass er in diesen Tagen 50 wird.

Herzlichen Glückwunsch, Mr. McNealy. Sie sind der erste IT-Konzernchef, der schon mit 50 erwachsen wird.