Software-Updates verlängern das Leben mobiler Geräte

Software altert schneller als Hardware. Ein Standard-Applikationsserver für mobile Geräte soll deren Lebenserwartung drastisch erhöhen.

Haben Sie sich schon mal darüber geärgert, dass Ihr DVD-Player, obwohl erst sechs Monate alt, nicht auch die neuesten Kompressionsformate abspielen kann? Besonders darüber, dass es keine Möglichkeit gibt, seine Software zu aktualisieren, damit er das kann? Diese und ähnliche Ärgernisse könnten bald der Vergangenheit angehören, wenn der Standard der ‘OSGi Alliance’ es tatsächlich schafft sich durchzusetzen.

Die OSGi Alliance (Open Services Gateway Initiave) ist ein non-profit Industriekonsortium und hat sich die Schaffung einer Software-Plattform auf die Fahnen geschrieben, auf der Java-basierte Anwendungen und Dienste ausgeführt werden können. Also eine Art Application Server für Geräte, die außerhalb der Kategorie ‘Computer’ angesiedelt sind. Diese Plattform soll auf jegliche Art vernetzter Geräte eingesetzt werden können, mitunter in Hausgeräten (von der Stereoanlage über die Küchengeräte bis hin zur Steuerung für die Jalousien), in Autos und in Mobiltelefonen.

Die grundlegende Komponente dieser Plattform ist das OSGi-Framework: eine offene, modulare und skalierbare ‘Service Delivery Platform’ auf Java-Basis. Sie ermöglicht die Vernetzung von intelligenten Endgeräten, die Auslieferung und Installation von Diensten, Informationen und Unterhaltungsinhalten, sowie die Fernsteuerung, -diagnose und -wartung dieser Geräte.

Von den Kraftfahrzeugherstellern hat sich als erster BMW dazu durchgerungen, den OSGi-Standard zu verwenden. In den aktuellen 5er und 6er Serien sowie in der nächsten Generation des Mini ist die zentrale Steuerungseinheit (Head-Unit) in der Mittelkonsole mit der OSGi-Plattform ausgestattet. “Wir wollen dadurch die Anzahl der Komponenten in der Head-Unit verringern und eine einfache Möglichkeit haben, Updates durchzuführen”, sagt Hans-Ulrich Michel, Projektleiter für Remote Management bei BMW. Dazu sei die OSGi-Plattform sehr gut geeignet.
Anwendungen sind austauschbar

Die Spezifikation der Service-Plattform definiert eine Laufzeitumgebung und Basisdienste. Ein bedeutendes Merkmal der Plattform ist die Möglichkeit, kontrolliert und dynamisch Anwendungen (sogenannte Bundles) einzuspielen sowie aktualisieren und wieder entfernen zu können. Einzelne Implementierungen bestehen in der Regel aus dem OSGi-Framework und einer Anzahl von Service-Bundles, die aufgrund der modularen Architektur leicht hinzugefügt oder ausgetauscht werden können.

Der wesentliche Vorteil liegt in der Möglichkeit, verschiedene Anwendungen voneinander unabhängig mit der selben Java Virtual Machine laufen zu lassen, und sie dabei ebenso unabhängig voneinander zu steuern und zu aktualisieren. Gibt es beispielsweise eine aktualisierte Softwareversion für das Navigationssystem eines Autos, muss nicht gleich komplett die Steuerungssoftware der Head-Unit (inklusive Steuerung für Stereo- und Klimaanlage) neu eingespielt werden.

Breite Zustimmung

Gegründet wurde die Allianz bereits vor fünf Jahren, im Windschatten des Internet-Booms damals allerdings mit einer etwas anderen Zielsetzung: der Standard sollte die Vernetzung selbst innerhalb des digitalen Heims besorgen. Angesichts des Vormarsches von WLAN-Technologie, Bluetooth und ZigBee steht jetzt aber die Wartbarkeit vernetzter Geräte im Vordergrund.

Mittlerweilen gehören der Allianz Firmen aus unterschiedlichen Branchen an, wie etwa Nokia, Motorola, die Deutsche Telekom und Samsung aus dem Telco/Mobile-Bereich, Bosch und Philips aus dem Bereich Home Electronics, Siemens VDO, BMW und Volvo aus der Automobilbranche, sowie IBM und Sun aus dem Bereich IT.

Im Fall von Sun ist wegen Java das Interesse an der Mitgliedschaft bei OSGi verständlich, doch was treibt IBM in ein solches Konsortium? “Wir verkaufen Technologielösungen an praktisch alle Mitgliedsunternehmen”, erklärt Dan Bandera, IBMs Program Director für angehende Standards. OSGi-Technik ist bereits in wesentlichen Teilen der IBM-Software implementiert, darunter im Workplace-Client und Websphere-Studio-Device-Developer. Man ist quasi schon wegen der installierten Basis bei den teilnehmenden Unternehmen in der Pflicht, ihre Standards zu unterstützen, aber die Technologie ist laut Bandera auch ein Türöffner für neues Business. Sollte Siemens VDO beispielsweise beschließen, nicht mehr selbst die OSGi-Implementationen für Kfz-Hersteller vorzunehmen, könnte jemand wie BMW auf IBM ausweichen.

Wie Kfz-Hersteller profitieren

Der Einsatz von OSGi-Technik in der Kfz-Elektronik und der Mobilfunktechnik soll dem Standard zum entscheidenden Durchbruch verhelfen. Doch noch sind die Kfz-Hersteller mit Ausnahme von BMW und Volvo eher zurückhaltend gegenüber der Allianz. Seit der Diskussion um den AMI-C-Standard (Automotive Multimedia Interface Collaboration) ist man vorsichtiger geworden.

AMI-C soll die Informations- und Unterhaltungssysteme im Auto standardisieren und hat seit April 2003 die Unterstützung der OSGi-Technologie angekündigt. Doch besonders Europäische Hersteller können sich mit dem US/Japanisch-dominierten Gremium nicht sonderlich anfreunden und sind deswegen gegenüber anderen Standards, die danach “riechen”, eher misstrauisch. Immerhin wurde während der OSGI-Konferenz in Barcelona letzten Monat gemunkelt, dass Volkswagen den Standard in großem Ausmaß adaptieren will.

Andererseits sollte man angesichts der Tatsache, dass Software im Auto immer wichtiger wird, den Wert einer OSGi-Technologie nicht ignorieren, mahnt Hans-Ulrich Michel von BMW. Zumal das Konsortium sich auch um die Interoperabilität mit anderen Standards der Branche bemüht, wie beispielsweise CANopen oder AutoSAR. Wünschenswert wäre für Michel längerfristig eine gemeinsame Entwicklungsplattform für Kfz-Anwendungen, bei der OSGi-Technologie eine Schlüsselrolle spielt. Aber er muss zugeben, dass seine Branche bis dahin noch ein Stück Weg vor sich hat.

Grenzenlose Anpassung

Der andere Wachstumspfad, mobile Kommunikation, scheint sich etwas aggressiver zu entwickeln. Da wäre zunächst festzuhalten, dass Java bei Handys und Anwendungen an Bedeutung gewinnt, und dass der OSGi-Standard einige Probleme für Handy-Hersteller lösen könnte. Das größte: das Aufspielen, Aktualisieren und Anpassen (Customizing) von mobilen Anwendungen wie Browser, E-Mail-Clients oder Spielen nach den individuellen Bedürfnissen der Nutzer oder Carrier.

Letzteres sorgt seit einiger Zeit für Aufregung. Seitens der Carrier wird an die Hersteller der Wunsch herangetragen, Handys doch bitte exakt nach den Wünschen der Mobilfunker zu bauen. Erst kürzlich war ein Streit zwischen Vodafone und Nokia entbrannt weil die Finnen sich standhaft weigerten, sich von einzelnen Carriern vorschreiben zu lassen, wie grundlegende Funktionen wie Menüführung und Tastenbelegung implementiert werden sollen.

“Das ist die teuerste Form der kundenspezifischen Anpassung, weil sie in der Fabrik bei der Produktion gemacht werden muss”, erklärt Dr. John Barr, President der OSGi Alliance und Direktor für Standards bei Motorola. Wenn man jedem Carrier sein eigenes Handy bauen würde, könnte man sich sehr bald von seinen Margen verabschieden, meint Barr. Der OSGi-Standard könne als Policy-neutrale Plattform andererseits dazu dienen, dass Anwendungen nach Belieben den Vorstellungen einzelner Carrier und den Möglichkeiten verschiedener Handy-Modelle angepasst werden.

“Man muss es abwarten können”

Im Bereich Home Networking können Firmen wie Bosch Siemens Hausgeräte, Philips oder Electricité de France ebenfalls Fortschritte vorweisen – auch wenn dieser Sektor ebenfalls noch einige Zeit von einer umfassenden Vernetzung entfernt ist. “Man muss jetzt einfach abwarten, dass die Dinge passieren”, frohlockt Dan Bandera von IBM.

Der Grund für seinen Optimismus liegt vor allem darin, dass die potenziellen Player in diesem Segment sozusagen unvorbelastet ihren Markt vorbereiten, und sie setzen auf OSGi als Methode, Dienste und Anwendungen für das digitale Zuhause anzubieten. Den diversen Vernetzungswegen, ob WLAN, Bluetooth oder ZigBee, würde OSGi nur zugute kommen, denn dadurch könnten sie untereinander kommunizieren und die Anwendungen wären auf derselben Methode basierend wartbar.

“Stellen Sie sich vor, sie würden abends nach Hause kommen und Ihr Handy würde erkennen, dass Sie zuhause sind und von GSM- auf DECT-Modus umschalten”, projiziert John Barr. Damit wäre es wie ein schnurloses Haustelefon zu verwenden. Das und mehr würde auch ein älteres Handy können, wenn seine Anwendungen über die OSGi-Plattform aktuell gehalten werden könnten.