Gemischtes Doppel: Softwarepatente sind ein Politikum in Europa

Fernab von weltpolitischen Kräfteverhältnissen ist die Frage der Software-Patentierung ein aktuelles innereuropäisches Thema. Es sucht nach einer Lösung.

Letzte Woche ist es passiert: Mit Polen hat sich eines der ersten neuen Mitglieder der EU eindeutig in der Frage der Softwarepatente positioniert. Ein klares Nein zum Vorschlag der EU-Kommission ruft Gegner wie Befürworter der im Entwurf etwa 2 Jahre alten Richtlinie auf den Plan. Doch so gemischt, wie die Regierungen der EU-Länder mit dem Thema umgehen, lässt sich noch gar nicht voraussagen, wer das Tauziehen um dies hochpolitische Thema gewinnt.
Einstweilen hat sich die EU-Kommission in einem Rahmenpapier zur dauerhaften Unterstützung von Open Source in Regierungsanwendungen durchgerungen. Die Regierungen werden eingeladen, aus Kosten- und Patentgründen in Behörden und Ämtern frei verfügbare Software einzusetzen, die über die betreffenden Open-Source-Lizenzen geschützt ist. Dies entschieden die Kommissionsmitglieder weitgehend einstimmig.

Doch es verschieben sich die Mehrheiten, wenn es um möglicherweise global einheitliche Richtlinien zur Patentierbarkeit von Software und technischen Erfindungen geht. “Polen kann den Text, auf den sich der EU-Rat am 18. Mai 2004 als Vorschlag für eine Richtlinie zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen einigte, nicht unterstützen”, so lautet die offizielle Aussage auf der Regierungs-Website nach einer Kabinettssitzung in Warschau. Deshalb fehlen dem EU-Rat jetzt 16 Stimmen zur qualifizierten Mehrheit, um den Ratsvorschlag als gemeinsamen Standpunkt zu beschließen. Ohne die Unterstützung Polens, die den Vorschlag im Mai befürwortete, ändert sich die Lage. Am ersten Mai 2004 wuchs die EU schließlich auf 25 sehr unterschiedliche Mitglieder an und der Mittelpunkt Europas verschob sich Richtung Lettland.

Die jüngste Entscheidung, so betonen die Polen, sei ihnen nicht leichtgefallen. Umfangreiche Diskussionen habe die Regierung mit Lobbyisten aus der IT-Branche und mit dem polnischen Patentamt geführt. Erst dann erklärten die Regierungsvertreter, dass der aktuelle Entwurf nicht zeitgemäß sei. Die erklärten Ziele, die Patentierung von Software und Geschäftsmethoden zu begrenzen, sei nicht erreicht. Unterstützen würde die Regierung nur “definitiv unzweideutige Regeln”, nicht jedoch eine Richtlinie, unter welcher die Funktionalität von Computerprogrammen patentiert werden könnte. 

Verbände wie die polnische Sektion des Münchner Fördervereins für eine ‘Freie Informationelle Infrastruktur’ (FFII) kündigten an, gemeinsam mit Ländern wie Lettland, Luxemburg und Dänemark vorgehen zu wollen. So sollen die Richtlinien eher in die Richtung gehen, die das EU-Parlament vorgeschlagen hatte und die mehr in Richtung einer Nichtpatentierbarkeit von Bagatellen und Geschäftsmodellen gegangen war.

Wladyslaw Majewski, Präsident der Internet Society (ISOC) Poland, geht noch weiter in seiner Kritik an dem Entwurf. Er sei ein fragwürdiger Kompromiss und stelle “die bislang größte Bedrohung für unser Wirtschaftswachstum und unsere Kommunikationsfreiheit” dar. Er sagt: “Die Bestrebungen des Patentwesens und der Patentabteilungen gewisser Großkonzerne dürfen niemals Vorrang vor den Interessen der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft haben.” Einiges Gewicht legen allerdings auch die Deutsche Bank Research und PriceWaterhouseCoopers in die Waagschale. Sie warnen ausdrücklich vor den negativen Konsequenzen, die Softwarepatente für die europäische IT-Branche hätten.

Wie die Stimmengewichtung allerdings innerhalb Europas aussieht und wie sich die starken Nationen Großbritannien, Frankreich und Deutschland verhalten werden, erklärt Florian Müller, der als Kampagnen-Manager in Deutschland Stimmung gegen die Patentierung von Software macht. Er sagt: “Im Mai waren diese Länder auf der Seite der Befürworter von Softwarepatenten, aber Frankreich nur mit Vorbehalt – und bei Deutschland sollte die Lage künftig aufgrund der sehr klaren Haltung aller Bundestagsfraktionen ebenfalls anders aussehen.” Nur in Großbritannien halte “die Patentbürokratie die Politik regelrecht im Würgegriff”. Er wisse auch davon, dass die britische Regierung “auf Steuerzahlerkosten Propagandamaterialien für Softwarepatente herausgibt”. Doch auch dort regt sich Widerstand aus der Politik in Form von Lobbyarbeit der Liberalen.

In der Entscheidung Polens hat nach Müllers Angaben die Politik, namentlich die weltpolitische Haltung Polens zu den USA – siehe deren Beteiligung am Irak-Krieg -keine Rolle gespielt. Vielleicht eine negative: Die Entscheidung sorgte für Aufsehen und könnte neben der deutschen Haltung zum Sammelbecken für die europaweit aktiven Gegner werden. Sie bedeutet für Warschau, sich in patentpolitischer Hinsicht von der nahezu beliebigen Patentierbarkeit in den USA noch weiter wegzubewegen. Schließlich kritisieren die Vertreter ja die EU-Richtlinie als zu schwammig – ähnlich wie die Lobbyisten in Deutschland übrigens. Allerdings lässt er durchblicken, dass er aus Berliner Kreisen von einem intensiven “Lobbying für Softwarepatente seitens der US-Botschaft” wisse. Diese Haltungen kommen in Warschau offenbar zur Zeit nicht durch.

Aber er hat eine Veränderung in der Haltung des osteuropäischen Landes beobachtet: “Im Mai war Polen auf Enthaltungskurs und hatte nur darauf verzichtet, sich am Ende der Sitzung noch mal zu äußern, da es rechnerisch keine Rolle spielte. Zwischenzeitlich aber haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert, somit hing nun alles von Polen ab.” Die Entscheidung Polens erklärt er aber mit einer gründlichen Analyse und Information. Alle Beteiligten seien gehört worden. Er sagt gegen Berlin gerichtet: “Während das deutsche Bundesjustizministerium nur so tut, als würde es kritische Stimmen berücksichtigen, aber in Wirklichkeit eine reine Lobby- und Lügenpolitik in Sachen Softwarepatente betreibt, hat man in Polen eben auch die richtigen Schlüsse aus den vorhandenen Informationen gezogen.”