Weiterbildung für Open Source: Es tut sich was

Der Boom von Open-Source-Software wird von neuen Anforderungen an IT-Fachkräfte begleitet. Darauf muss sich die Fortbildungsindustrie erst einstellen

Zertifizierungen und Weiterbildungen im Open-Source-Umfeld richten sich bislang fast ausschließlich an Administratoren. Über weitere Schulungsangebote wird an verschiedenen Stellen nachgedacht, denn dank der Open-Source-Software hat die IT-Branche wieder einen verbesserten Wettbewerb in einigen Marktbereichen, die in der Vergangenheit von einigen wenigen Anbietern beherrscht worden sind.
Diese Wahlfreiheit führt jedoch zu neuen Anforderungen an die Kompetenzen der IT-Fachkräfte. Neben dem fachlichen Know-how sind dabei auch neue Managementfähigkeiten gefragt, die sich allerdings – im Gegensatz zur harten Technik – bislang nirgends in einer Weiterbildung erwerben lassen. Learning by doing ist gefragt.

Thomas Uhl, Sprecher der baden-württembergischen Open-Source-Initiative bwcon:boss, einem Zusammenschluss aus Anbietern, Anwendern und öffentlichen Einrichtungen, veranschaulicht die neuen Anforderungen an einem Beispiel: “Angenommen, ein Unternehmen entscheidet sich bei einem Geschäftsprozess für eine bestimmte Open-Source-Komponente und diese stellt sich hinterher als fehlerhaft heraus. Wie bringt man dann die freien Entwickler dazu, sich dieser Dinge anzunehmen, wenn man keinen dedizierten Anbieter hat, der den Support übernimmt?”

Einfach eine Anweisung “von oben” zu geben, funktioniert bei diesem Entwicklungsmodell nicht. “Man muss so etwas wie Community-Management betreiben”, glaubt Uhl. Solchen Fragen soll sich unter anderem die in der Gründung befindliche ‘Open Source Development Group’ widmen, an der bwcon:boss derzeit arbeitet. “Denn heutzutage richten sich Weiterbildungsangebote im Open-Source-Umfeld vor allem an Administratoren”, so Uhl.

Ziel: Zertifizierter Profi

Dass dies so ist, liegt natürlich auch daran, dass die Erfolgsgeschichte der quelloffenen Software in Unternehmen ihren Ursprung in den Serverräumen hat und dass Linux-Distributoren ein starkes Interesse an entsprechenden formalen Befähigungsnachweisen für Linux-Spezialisten haben.

Laut Red Hat gibt es inzwischen weltweit 13.000 Red Hat Certified Engineers und 6000 Red Hat Certified Technicians. Novell, die in diesem Jahr den Linux-Distributor Suse aufgekauft hat, bietet inzwischen ebenfalls Linux-Personenzertifikate an. Die Zahl der Spezialisten ist bislang – naturgemäß – niedrig: zwei Novell Certified Linux Professionals und starke 180 Novell Certified Linux Engineers.

Während Red Hats Kurse ein Eigengewächs sind, orientiert sich Novell sehr stark an den Richtlinien des Linux Professional Institute (LPI), einer weltweiten gemeinnützigen Organisation. LPI setzt sich für eine anbieter- und distributionsneutrale Linux-Zertifizierung ein und ist aus der Open-Source-Community entstanden. Laut dem deutschen Zweig der gemeinnützigen Organisation gibt es inzwischen weltweit mehr als 19.000 LPI-zertifizierte Linux-Spezialisten.

Auch künftige neue Weiterbildungsangebote im Linux-Umfeld werden sich vor allem an Administratoren und Entwickler richten. Über ein spezifisches Angebot für den Desktop denkt mancher der Protagonisten ebenfalls nach. “Eine Anwenderschulung wäre denkbar”, sagt beispielsweise der ehemalige Suse-Trainingsleiter Michael Weyrauch, der inzwischen bei Novell zum Director Emea Training Services aufgestiegen ist.

Eigeninitiative ist gefragt

Anders als bei proprietärer Software, bei der ein Anbieter für produktspezifische Zertifikate die Marketingtrommel rührt und teilweise auch konkrete Lehrinhalte ausarbeitet, ist von den Weiterbildungsanbietern bei Open-Source-Software mehr Eigeninitiative gefordert. Wenn sich beispielsweise die Open-Source-Groupware-Lösung E-Groupware als Alternative zu Systemen kommerzieller Hersteller richtig etablieren würde, könnte dadurch plötzlich ein Schulungsbedarf entstehen, der allerdings nicht durch einen Anbieter getrieben wäre.

“Man muss für die Vorbereitung von Schulungen im Open-Source-Umfeld nahe an der Community dran sein”, erläutert Dietrich Scheringer, Leiter Zentralbereich Produktenwicklung beim Münchner Weiterbildungsanbieter CDI. Insgesamt dauere die Konzeption eines neuen Angebots zwar nicht länger, weil sie nach dem gleichen Prinzip verlaufe, aber der gesamte Bereich Fortbildung im Open-Source-Umfeld könne sich künftig “noch sehr viel systematischer entwickeln”.

Die Fachhochschule Heilbronn will sich des Themas Weiterbildung im Open-Source-Umfeld grundsätzlich annehmen. Laut Rektor Gerhard Peter möchte die FH dazu im existierenden Studiengang Software Engineering zunächst Lehrbeauftragte aus Unternehmen gewinnen, die Zusatzangebote an der Hochschule schaffen. “Diese können die Studierenden dann als Wahlfach mit vier bis sechs Semesterwochenstunden belegen”, so Peter. Er denkt aber auch an einen eigenständigen Studiengang, der im Zuge der Umstellung der Abschlüsse auf Bachelor und Master eingerichtet werden könnte.

Ein Aufbaustudium sei eine andere Möglichkeit. Inhaltlich soll der Studiengang sowohl technische als auch organisatorische, soziale und betriebswirtschaftliche Aspekte des Themas Open-Source-Software abdecken. Er würde also den Folgen des besonderen Softwareentwicklungsmodells Rechnung tragen.

Auch über eine Professur für Open-Source-Software denken die Heilbronner intensiv nach. “Die Absolventen eines eventuellen Studiengangs werden jedenfalls weiterhin ein vollwertiges Informatikstudium haben”, betont Peter. “Wir wollen breit ausbilden, nicht auf ein Segment einengen.”