Open Source ist oft einfach ‘gut genug’

Der Vormarsch von Open-Source-Software nutzt einen Paradigmenwechsel in der IT: ‘gut und teuer’ ist out, ‘gut genug und billig’ ist in.

IT-Manager, die Open-Source-Software schon mal eingesetzt haben, scheinen auf den Geschmack gekommen zu sein. Anders ist der Boom quelloffener Anwendungen in den letzten Jahren nicht zu erklären. Am Beispiel von Produkten wie Apache oder MySQL konnten sich die meisten von ihnen überzeugen, dass Begriffe wie “frei verfügbar” und “kostenlos” sich nicht zwingend widersprechen müssen mit hohen Ansprüchen in Funktionalität, Stabilität und Sicherheit.
Nach Ansicht der Marktforscher der Meta Group war 2004 für Linux und Open Source das Jahr des Durchbruchs. Jedes fünfte deutsche Unternehmen betreibt Linux-Maschinen und eins von zwanzig hat andere Open-Source-Software bereits installiert – Tendenz steigend.

Der Open-Source-Bewegung spielt laut Meta ein Paradigmenwechsel im Softwaremarkt in die Hände, der nicht mehr aufzuhalten ist. So richten sich IT-Organisationen nicht mehr nur nach den Möglichkeiten der Produkte aus, sondern nach dem Geschäftsnutzen ihrer Installationen. Infrastruktur und Lösungen würden nicht in Form von “was geht alles?” diskutiert, sondern eher nach dem Kriterium “was reicht aus?”.

Auf diesem Weg hat sich seit Mitte der neunziger Jahre Apache als Webserver etabliert. Inzwischen laufen zwei Drittel aller Domains weltweit mit der kostenlosen Plattform, und das obwohl sich die Anforderungen an Webserver in den letzten fünf Jahren alles andere als nach unten bewegt haben.

Auch Total-Migration im Gespräch

“Rund 43 Prozent der Firmen, mit denen wir sprachen, erwägen den Einsatz von Open-Source-Lösungen oder haben bereits in Pilotprojekten damit begonnen”, erklärt Richard Peynot, Senior Analyst bei Forrester Research. “Fast ein Drittel will komplett auf Open Source umsteigen und 58 Prozent werden künftig mehr Geld für Open-Source-Produkte aufwenden.”

Das mag auch mit der Tatsache zu tun haben, dass Open-Source-Anwendungen immer mehr auch eine passende Lösung liefern können. “Unsere Kunden kommen nicht mit dem Wunsch nach Linux oder Windows zu uns, sondern wollen Lösungen für ihre individuellen IT-Probleme”, sagt Jürgen Schwarz, Geschäftsführer bei der IT-Services und Solutions GmbH (it’), einem Tochterunternehmen von IBM.

Als Beispiele führt er zwei Projekte an, die sein Haus begleitet hat. Beim ersten ging es darum, das Stuttgarter Marienhospital mit seinen 15 Fachkliniken und den zahlreichen eigenständigen Fachabteilungen mit einer neuen IT-Infrastruktur auszustatten. Jeder behandelnde Arzt sollte verschiedenste Unterlagen, von Patientendaten in externen Arztpraxen über eigene Röntgenbilder bis hin zu Daten aus der Computertomographie, auf Knopfdruck zur Verfügung haben. Das Krankenhaus entschied sich für eine Linux-Lösung.

Umstieg nicht immer sinnvoll

Anders lief es bei der EWR, einer Tochter der Stadtwerke Remscheid. Gemeinsam mit der Muttergesellschaft versorgt die EWR 120.000 Menschen mit Dienstleistungen rund um den Personenverkehr, betreibt zwei Schwimmbäder und beliefert die Kunden mit Strom, Gas, Wasser und Wärme. Dabei kommt Windows auf 30 Servern und 350 PCs zum Einsatz.

Bei EWR zog man es vor, beim Aufbohren der Infrastruktur bei Windows zu bleiben. “In erster Linie fiel die Wahl auf Windows, weil in unserem Unternehmen das Know-how rund um Microsoft-Produkte vorherrschend ist”, begründet Jürgen Petermann, IT-Leiter bei der EWR GmbH, die Entscheidung. “Als bei der Mehrzahl unserer Microsoft-Produkte die Lizenzen abliefen, standen wir vor der Entscheidung, entweder ausreichend Linux-Wissen in unserem Unternehmen aufzubauen oder das bewährte System beizubehalten – letzteres war für uns der effektivere und kostengünstigere Weg.”

Die Beispiele illustrieren sehr gut, wo das Hauptproblem für einen unternehmensweiten Umstieg auf Linux und Open Source liegt, nämlich am (nicht-)vorhandenen Know-how in Sachen Unix und Linux. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass bei Unternehmen ab 200 Mitarbeitern aufwärts die Linux- und Open-Source-Penetration laut Meta Group zwei mal so hoch ist als im unteren Mittelstand und bei Kleinunternehmen.

“Meist ist der finanzielle und technische Aufwand für den Umstieg auf Open-Source-Systeme zu groß, so dass die Kunden ausschließlich Windows-basierte Lösungen in ihrem Unternehmen einführen”, erklärt Jürgen Schwarz von it’. Außerdem lasse sich Windows im Vergleich zu Linux häufig einfacher administrieren und das Know-how rund um Windows und MS-Office sei weiter verbreitet. “Gerade mittelständischen Unternehmen ist daher zu empfehlen, die IT-Infrastruktur nicht ohne eingehende Prüfung komplett auf Open Source umzustellen.”

Ist im Unternehmen Unix- oder Linux-Know-how vorhanden, macht Open-Source auch vor unternehmenskritischen Anwendungen nicht halt. Circa 70 Prozent der Unternehmen, die Open Source heute oder demnächst im Einsatz haben, gehen laut Meta Group davon aus, dass es auch auf Business-Critical-Servern eingesetzt werden wird. Vorreiter dieser Entwicklung in Deutschland sind insbesondere die Branchen Transport, Versorger, Telcos, der öffentliche Sektor und der Handel.

Wo sind die Dienstleister?

IT-Leiter im öffentlichen Sektor zeichnen sich mit einem besonderen Eifer in Sachen Open Source aus. Das hat sehr viel mit der Kameralistik zu tun, meint Eduard Stupening, Senior Director Consultant bei Meta. Das ist die Methode, mit welcher die Finanzen von Kommunen und öffentlichen Einrichtungen verwaltet werden. In der Kameralistik dominieren die Jahresetats und deswegen wiegen Primärinvestitionen, wie sie bei der Anschaffung neuer Software anfallen, schwerer als die nachfolgenden Betriebskosten. “Im Haushalt eines Jahres bringen Sie sehr schwer den TCO von fünf Jahren unter”, so Stupening.

Doch Richard Peynot von Forrester mahnt, die Euphorie noch etwas in Zaum zu halten. Denn obwohl die Stimmung für Open Source in den letzten Monaten erneuten Auftrieb dadurch erhalten habe, dass Microsoft die Verfügbarkeit des XP-Nachfolgers ‘Longhorn’ nach hinten geschoben hat, wird der Durchbruch weiter “durch ungelöste Fragen und Befürchtungen gehemmt”.

Als Beispiel führt Peynot an, dass Unternehmen vor allem Angst davor haben, mit Open-Source-Produkten in eine “Service-Falle” zu geraten. Das gelte vor allem für die Aspekte ‘Technischer Support’ und ‘Langfristige Wartung’ ihrer Anwendungen. Man warte hier auf eindeutige Signale der Anbieter, vor allem der Service-Provider, bevor weitere Open-Source-Projekte in Angriff genommen werden.

Für Dienstleister sieht Peynot durch Open-Source-Lösungen eine attraktive, jedoch bisher noch nicht ausreichend beachtete Einnahmequelle, allerdings nur sofern die Dienstleister auch strategisches Engagement in Sachen Open Source demonstrieren könnten. Dass dieses Feld von Dienstleistern noch nicht richtig beackert wird, liegt aber auch an der Tatsache, dass auch hier das technische Know-how in Sachen Unix und Linux nicht breit gestreut ist.

Die Meta Group ist während ihrer Marktforschung auf viel Unzufriedenheit der Kunden mit Dienstleistern gestoßen, besonders was Programmierung, Integration und Wartung von Systemen betrifft. Dienstleister, die Projekte implementieren, Anwendungen entwickeln und Beratung und Schulung anbieten, erlangten bei Anwenderunternehmen laut Meta keinen großen Zuspruch.