Sprachregelungen

Jetzt hat er’s also doch noch geschafft. Unser Außenminister wieder! Joseph Fischer schickt sich an, Geschichte zu schreiben. Sprachgeschichte zumindest.

Auf die Sprünge geholfen hat ihm dabei das ARD-Magazin “Report”. Das präsentierte am Montag ein als “Verschlusssache” klassifiziertes Dokument aus dem Auswärtigen Amt.

Eine “Sprachregelung – Verfahren vor dem Landgericht Köln” ist mit dem Dokument erlassen worden. In dem Prozess ging’s um einige von vielen Visa-Betrugsfällen.

Wegen dieser Affäre legt unser Außenminister ja in jüngster Zeit seine Augenwinkel nicht mehr nur aus staatsmännischer Sorge auf seine unnachahmliche Art in Falten. Sondern wohl auch in eigener Sache.

Und wegen der Affären verschärfenden Sprachregelung hat ein Düsseldorfer Jura-Professor jetzt Strafanzeige gestellt. Sowas machen Jura-Professoren ja sehr gerne.

Was genau er zur Anzeige gebracht hat, ist allerdings nicht so recht klar. Einschlägig wäre eigentlich nur: “Verleitung zur Falschaussage”. § 160 StGB: “… wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten … bestraft.”

Auf jeden Fall aber wird demnächst gerichtlich zu klären sein, wie Sprachregelungen eigentlich grundsätzlich zu bewerten sind. Ein lohnendes Unterfangen!

Sprachregelungen existieren schließlich nicht nur in der Politik, sondern überall, wo Soldaten kommandiert werden. Parteisoldaten, richtige oder Befehlsempfänger in Ämtern und Unternehmen.

Die alle steckt man ja in einen Einheits-Dress. Beim Militär heißt der Uniform, in der Politik Parteiräson und in Unternehmen CI (Corporate Identity). Ergänzt wird die Uniformität dann gerne noch um eine verbale Komponente, sprich: eine einheitliche Sprachregelung.

Nur so bekommt man prinzipiell Vernunft begabte Wesen dazu, richtig verquer daherzureden. So, wie kein ziviler Mensch es tun würde.

In der US-Army etwa deklarierte man während des Irak-Kriegs body bags (Leichensäcke) als transfer tubes. Wer auf sowas kommt, muss schon sehr davon überzeugt sein, dass es der Sache dient. Egal welcher.

In der Wirtschaft wird selbstverständlich nicht so makaber dahergeredet. Aber genauso abstrus.

Fujitsu-Siemens beispielsweise hat diesen Monat neue Server vorgestellt. Eigentlich eine sehr interessante Sache, handelt es sich dabei doch um Mainframe-artige Rechner mit Intel-Chips, die unter Windows laufen. Eine Geschichte, in der Zündstoff steckt.

Da hätte man doch gerne erfahren, inwieweit der deutsch-japanische Konzern damit glaubt, dem Großrechner-Monopolisten IBM am Zeug flicken zu können. War aber nicht!

Statt dessen zeigte die Münchner Konzernzentrale sich in ihrer schmucken verbalen Ausgehuniform. Die heißt Triole und wird bei allen Anlässen präsentiert: “Fujitsu Siemens Computers setzt diese Technologien ein, um hochdynamische IT-Lösungen mit maximaler Kompatibilität und Konsistenz zu entwickeln und zu liefern.” (FSC-Pressemitteilung zu neuen Rechenzentrumsservern vom 5.4.)

Und weiter: “Das Ergebnis ermöglicht den Kunden, ihre Effizienz und Flexibilität zu erhöhen und ihre Business Continuity heute und in Zukunft zu verbessern.” (ibid.)

Aha! Ein veritabler informationeller transfer tube!

IBM verfügt über keine Sprachregelung Namens Triole. Der Einheitssprech dort nämlich kennt nur BoD (Business on Demand).

Das ist in etwa das gleiche wie Suns “N1” und Hewlett-Packards “Adaptive Enterprise”. “Diese umfasst ein umfangreiches Lösungsangebot, das die Unternehmens-IT so flexibel und anpassungsfähig macht, wie es die geschäftlichen Anforderungen und Veränderungen verlangen.” (HP-Pressemitteilung zur Vorstellung der “Adaptive-Enterprise”-Strategie vom 7.5.2003).

Solche Sprachregelungen gehören eigentlich auch geahndet. Und nicht nur die aus dem Außenministerium.

Aber wie? § 160 StGB ist da vielleicht doch etwas hart. Vielleicht § 118 OWiG – Grober Unfug?

Nein. Wie die originären Uniform-Träger sollte man verfahren.

Unteroffiziere bei der Bundeswehr triezen unbotmäßige Rekruten gerne mit so genannten “erzieherischen Maßnahmen”, Sanktionen, die unterhalb eines förmlichen Disziplinarverfahrens angesiedelt sind. Sie verdonnern junge Männer, die nur nach Hause wollen, die Uniform ablegen und Love not War machen, dazu, am Wochenende in der Kaserne zu bleiben und einen Besinnungsaufsatz zu schreiben.

“Eigene Gedanken zum Prinzip von Befehl und Gehorsam” heißt dessen Standardthema. Das ist zwar ein Widerspruch in sich, erfüllt aber den gemeinen Zweck.

“Pro und contra Sprachregelungen – selbst formuliert” wär’ doch eine schöne Erörterung, die man verbal Uniformierte schreiben lassen könnte.