Sorry Boss, mein Handy klingelt

Nichts ist peinlicher, als wenn im Theater genau in dem spannungsgeladenen Moment, da der Dirigent seinen Taktstock hebt, das Handy klingelt.

Nichts ist peinlicher, als wenn im Theater genau in dem spannungsgeladenen Moment, da der Dirigent seinen Taktstock hebt, das Handy klingelt. Das Handyverbot im Theater steht außer Frage. Doch jetzt gibt es erste Diskussionen darüber, ob eine Ächtung der Mobiltelefone am Arbeitsplatz zu mehr Produktivität führen könnte. Besonders Besprechungen mit Chef und Vorstandsetage sollten schließlich nicht von einer blechern vorgetragenen Wassermusik von Händel gestört werden, da herrscht Übereinstimmung – oder doch nicht?

Die Handysucht vieler Manager lässt sich beispielsweise nicht stoppen. Ein Flugschulenbesitzer aus Florida sagt, dass er grundsätzlich sein Handy eingeschaltet hat und einfach überall erreichbar sein möchte: im Meeting wie auf dem stillen Örtchen; und zwar erreichbar für alle – vom Bürgermeister bis zum Möbellieferanten. Für ihn ist ein ausgeschaltetes Handy nutzlos. Und er bedauert Leute die glauben, sie dürften ihn nur im absoluten Notfall mobil anrufen. Den Gegenpol gibt es aber auch: Chefs, die es als Zeichen der Höflichkeit schätzen, wenn Geschäftspartner auch dann über die Sekretärin im Festnetz gehen, wenn sie neulich erst mit dem anderen Manager golfen waren.

Die Nutzung ist so verschieden wie die Menschen, aber es regt sich immer mehr Unmut auch unter Handy-Nutzern. Deshalb hat Peggy Post, Leiterin eines Weiterbildungsinstituts, sich nun die Mühe gemacht, einen Leitfaden auch für Mobilfunknutzung am Arbeitsplatz herauszubringen. Darin sind zunächst die Negativbeispiele aufgeführt: die Attacken sich überbietender, schräger Klingeltöne in Großraumbüros, die chronischen In-Meetings-ans-Handy-Geher, die Mitarbeiter, die glauben, dass es nichts Spannenderes als ihr Privatleben gibt und die es deshalb lautstark mit allen Kollegen teilen wollen. Und es berichten sogar Ärzte in den USA, dass Patienten während lokaler Eingriffe und Untersuchungen ans Handy gehen. Das geschehe drei- bis viermal am Tag, meint ein Augenarzt. Er fragt sich, ob es irgendwo auf der Welt auch Ohrenärzte gibt, die so etwas erleben.

Rebecca Hastings von der Society for Human Resource Management sagt, dass Handys die Zigaretten der Neuzeit seien und ebenso wie diese zu einer Sucht führten. Sie würde es begrüßen, wenn mehr Unternehmen ebenso wie bei Zigaretten spezielle Handybereiche einführen würden. Sie hält nichts von der Annahme dass jemand umso mächtiger und wichtiger umherstolziert, je mehr Anrufe er auf seinem Handy bekommt. Solche Profilneurosen würde ein Handy-Raum in der Arbeit schnell abschleifen.

Flirt-Führer in Europa verweisen einstweilen darauf, dass es o.k. ist, ein erstes Date kurz beim Abendessen sitzen zu lassen und mit dem Handy am Ohr rauszurennen, wenn ein Notfall eintritt – oder aber, wenn ein wichtiger beruflicher Kontakt sich meldet. Vielleicht lässt sich mit einer frischen Kündigung das Gespräch wieder in Gang bringen. Möglicherweise war die übermäßige Handy-Nutzung am Arbeitsplatz schuld – was für ein Thema!