Plattenindustrie erhebt sich vom Totenbett

Erste Branchengurus erklären die Plattenindustrie für tot. Die tobt derweil durchaus lebendig vor Gericht gegen Kazaa und erfindet ihr Internet-Geschäft neu.

“In dem Moment, in dem Breitbandanschlüsse die Regel sind, ist die Plattenindustrie am Ende” – sagt Elvis Costello, der neben Frank Zappa als einer der bekanntesten nichtbekannten Musiker gilt. “Sie werden sich ändern müssen oder zu Grunde gehen. Es ist fünf Minuten vor zwölf. Alles ist möglich”, so seine provokante Aussage während eines Interviews mit MTV. Gleichzeitig meldet jedoch die US-Musikindustrie nach vier Krisenjahren erstmals wieder Zuwächse beim Plattenverkauf.

Trotz allem Zweckoptimismus gibt die Musikbranche aber zu, dass sie nach wie vor heftig unter Online-Piraten zu leiden habe. In Zahlen ausgedrückt heißt das, dass im vergangenen Jahr in den USA von den 100 populärsten Platten mehr als 153 Millionen Stück verkauft wurden. Das sind 5 Prozent mehr als im Vorjahr aber gleichzeitig 20 Prozent weniger als 1999 – im besten Verkaufsjahr vor Beginn der Krise gingen von den Top-100 knapp 195 Millionen Exemplare über die Ladentheke.

Über 40 Millionen nichtverkaufte Platten schreien nach Rache. Weltweit haben sich die großen Plattenlabels zusammengerottet, um gegen die Wurzel des Übels – Peer-to-Peer-Tauschbörsen wie Kazaa – anzukämpfen. Der aktuellste Fall wird derzeit vor einem Gericht in Australien ausgefochten, dort hat der Hersteller der Tauschbörsen-Software, Sharman Networks, seinen Firmensitz. Die Anwälte des Unternehmens stellen sich dumm und versuchen so, die Richter von der Unschuld der Firma zu überzeugen.

Eine Gruppe australischer Plattenfirmen wirft dem Kazaa-Betreiber vor, dass die weltweit geschätzten 100 Millionen Nutzer das Urheberrecht verletzen. Bis zu drei Millionen heruntergeladene Songs und Musikdateien pro Monat würden die Branche Millionen an ungezahlten Gebühren kosten.

Kazaa-Anwalt Tony Meagher räumte zwar ein, dass einige Kazaa-Nutzer in illegale Aktivitäten verwickelt seien, dafür könne aber der Hersteller der Software nicht verantwortlich gemacht werden. In dem Moment, in dem die Nutzer die Software auf ihren Computer heruntergeladen hätten, habe Sharman Network “keine weitere Möglichkeit zur Kontrolle”. Indem die Nutzer der Lizenzvereinbarung zustimmten, würden sie die Eigentümer von Kazaa von jeglicher Haftung für Urheberrechtsverletzungen freisprechen. Man ziehe schließlich auch nicht die Hersteller von Kopierern und Videorekordern zur Rechenschaft für illegale Kopien, die mit den Maschinen gemacht werden.