Reformratschläge für die neue Regierung

Während sich in Berlin Sparmaßnahmen als das Gebot der Stunde herauskristallisieren, fordert die IT-Industrie ein milliardenschweres Investitionsprogramm.

Während in Berlin die Koalitionsgespräche auf Hochtouren laufen und Sparmaßnahmen sich immer mehr als das Gebot der Stunde herauskristallisieren, fordert die IT-Industrie in Gestalt des Branchenverbands Bitkom ein milliardenschweres Investitionsprogramm. Am dreißigsten Tag nach der Bundestagswahl meldete sich der Präsident des Bitkom Willi Berchtold auf der Münchner Systems-Messe zu Wort.

Fünf gutgemeinte, aber zum Teil kostenintensive Vorschläge hat der Verband der neuen Bundesregierung mit auf den Weg zu geben, um die ITK-Industrie in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen. Seiner Ansicht nach hat die Branche durchaus das Zeug dazu, “die Dynamik der Volkswirtschaft zu entfesseln”, braucht aber eine Reihe von Maßnahmen, die nur eine Regierung leisten kann. Den Beweis, dass dies funktionieren kann, hätten schon Länder wie Finnland, Schweden oder Irland erbracht. “Unsere These lautet: Die technologische Leistungsfähigkeit eines Landes hat einen entscheidenden Einfluss auf das Wachstum der gesamten Volkswirtschaft”, so Berchtold.

Dabei geht es Berchtold nicht allein um die altbekannte Forderung nach mehr Geld für Forschung und Entwicklung, deren Wirkung sehr langfristig angelegt ist. Auf seiner Liste steht auch eine bessere Förderung innovativer Unternehmen, ein innovationsfreudiger öffentlichen Sektor und Rahmenbedingungen, die den Unternehmen helfen statt sie zu behindern. Deswegen müsse die neue Regierung eine “Koalition der Reformkräfte” bilden und dürfe nicht “die Koalition der faulen Kompromisse und des kleinsten gemeinsamen Nenners werden”. Durch die Reformen und Investitionen könnten in den nächsten zehn Jahren rund 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen, zusätzlich zu den 750.000 in der ITK-Branche selbst und den 650.000 IT-Jobs in Anwenderunternehmen.

Das große Ziel des Verbands ist, den Anteil der ITK-Branche am Bruttoinlandsprodukt von derzeit 6,9 auf über 8 Prozent hochzuschrauben. In Ländern wie USA, Korea oder Irland liegt dieser Anteil deutlich über 10 Prozent, in Finnland liegt er sogar bei 16,4. Die Finnen hätten dies mit einer Reihe von Maßnahmen geschafft, an denen sich Deutschland ein Beispiel nehmen könnte: Investitionen in die Ausbildung von Naturwissenschaftlern und Mathematikern und eine durchgehende Ausstattung der Schulen mit Computern bereits in den 90er Jahren.

Computertechnik kommt laut Berchtold ausgerechnet im technikfreudigen Deutschland in Sachen Förderung viel zu kurz: “Wir haben Förderprogramme für musisch und sportlich besonders begabte Kinder und Jugendliche. Für den Bereich Technik haben wir nichts, außer einem Bundeswettbewerb. Diese Lücke gilt es zu schließen.” Die OECD weise seit Jahren schon darauf hin, dass das deutsche Bildungssystem chronisch unterfinanziert sei. Zudem müsse der Bund mit mehr Kompetenzen im Bildungssektor ausgestattet werden, um bundesweit gültige Standards zu etablieren.

Ebenfalls nicht gerade zum Nulltarif kommt der zweite langfristig angelegte Vorschlag des Bitkom: “Die Forschungsausgaben müssen signifikant erhöht und Forschungspolitik muss professionell evaluiert und auf ihre Effizienz überprüft werden”, fordert Berchtold. Die öffentlichen FuE-Investitionen sollten jährlich um “mindestens 5 Prozent” steigen, wobei der Schwerpunkt auf der Verbundsforschung liegen sollte, an der die Industrie beteiligt ist. Zwar geben Bund und Länder jährlich 16 Milliarden Euro in diesem Sektor aus, doch die Institute mussten sich nach Ansicht Berchtolds nie einer systematischen Evaluierung unterziehen. “Hier muss ein professionelles Controlling eingeführt werden. Wir sollten wissen, was für diese 16 Milliarden Euro zurückkommt”, mahnt Berchtold.