Industrialisierung als Chance für die IT

Der Wandel der IT in Richtung mehr Standardprodukte, Automatisierung und modulare Massenfertigung hat ein geläufiges Vorbild

Das Zeitalter der Industrialisierung in der IT hat begonnen. Im Mittelpunkt stehen dabei Attribute wie: mehr Standardprodukte, höhere Qualität, mehr Automatisierung oder modulare Massenfertigung. Der Begriff wird sowohl von Anbieter- als auch von Anwenderunternehmen aufgegriffen, um zu beschreiben, welche Veränderungen der IT bevorstehen.

In der Software-Entwicklung steht der Begriff der Industrialisierung für die Einführung von Service-orientierten Architekturen (SOA). Dabei sollen Anwendungen zukünftig als modulare Baugruppen entstehen, die ähnlich wie in der Automobilfertigung auf technologischen Plattformen zusammengesetzt werden. Setzt sich das Konzept durch, wird die Mehrfach- und Wiederverwendbarkeit von Software steigen, was unter anderem zu sinkenden Entwicklungskosten führt. Der größere Effekt betrifft jedoch die steigende Flexibilität in Bezug auf Änderungen der Geschäftsprozesse. Änderungen können durch eine Service-orientierte Architektur leichter und schneller vorgenommen werden. Dadurch verkürzt sich die Time-to-Market, die gerade in schnelllebigen Branchen wie der Telekommunikation über Marktanteile entscheiden kann.

Doch nicht nur in der Software-Welt, auch bei den IT-Dienstleistungen halten Methoden der Industrialisierung Einzug. Angesichts steigenden Wettbewerbs und sinkender Preise gehen IT-Dienstleistungsanbieter verstärkt dazu über, ihre Angebote als Module zu definieren und beispielsweise für verschiedene Branchen vorkonfigurierte Service-Pakete anzubieten. Damit werden die Kosten für die Leistungserbringung wie auch die internen Organisationskosten gleichermaßen reduziert. Im Hintergrund verringern die Anbieter darüber hinaus ihre Fertigungstiefe und kaufen ihrerseits in Teilbereichen Services von Sub-Dienstleistern zu oder verlagern Aufgaben in Near- und Offshore-Regionen.

Gleichzeitig richten sich gerade die großen IT-Dienstleister wie IBM, Accenture oder Capgemini immer mehr als Komplettanbieter aus, die ihre Kunden bei der Transformation der Organisationen und Geschäftsprozesse durchgehend beraten und unterstützen. Damit werden sie zum Brückenbauer zwischen Business und IT – eine Aufgabe, die auch für die interne IT immer wichtiger wird.

Unter vielen Aspekten laufen die Entwicklungen bei Anwendern wie Anbietern sehr ähnlich ab: So reduzieren beispielsweise zahlreiche Unternehmen die Zahl der strategischen Plattformen, um die Komplexität der historisch wild gewachsenen Umgebungen zu reduzieren und die Administrations- und Service-Kosten in den Griff zu bekommen. Diese Taktik verfolgen die Unternehmen, seit klar ist, dass die IT-Budgets – wenn überhaupt – nur sehr moderat steigen. Und ohne Gegenmaßnahmen würden die Kosten für Betrieb und Wartung bald das gesamte Budget verschlingen. Für notwendige Innovationen in effizientere Geschäftsprozesse bliebe kein Spielraum. Diese Innovationen sind jedoch notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und auszubauen.

Insgesamt darf davon ausgegangen werden, dass diese Reduzierung der Komplexität zu höherer Stabilität bei niedrigeren Betriebskosten führt. Eine geringere Zahl zu unterstützender Plattformen, standardisierte Prozesse, etwa auf Basis von ITIL im Service Management, sowie ein höherer Automatisierungsgrad durch moderne Management-Tools tragen wesentlich dazu bei. In diesem Zusammenhang sollten die Unternehmen ihre IT noch stärker an den geschäftlichen Vorgaben ausrichten.

Nachdem die IT in den letzten Jahren vor allem Budgetkürzungen verkraften und teilweise gegen ein negatives Image als intransparente Kostenstelle arbeiten musste, erkennen immer mehr Unternehmen die IT als wirksamen Hebel, um die Geschäftsprozesse zu optimieren und damit einen hohen Wertbeitrag für den Unternehmenserfolg zu liefern. In der Bereitstellung stabiler und gleichzeitig flexibler Geschäftsprozesse liegt dementsprechend eine der größten aktuellen und mittelfristigen Herausforderungen für die IT.

Zwar ist es aus Sicht des Business zunächst zweitrangig, mit welchen Technologien und mit welchen Partnern die IT diese Aufgabe bewältigt. Dennoch – die Bereitschaft, in mehr Flexibilität und mehr Performance zu investieren, nimmt zu. Diese Chance sollten CIOs nutzen. Das Bild der Industrialisierung und seiner positiven Effekte kann dabei durchaus helfen, die notwendigen Investitionen für Veränderungen in der IT-Landschaft zu erläutern.