Microsoft-Forscher denken laut über Gratis-Anwendungen nach

Anwendungen auf dem Desktop kostenlos – nicht nur für die Kunden, auch für Microsoft selbst könnte das Sinn machen

Wie jede große Softwarefirma ist auch Microsoft besonders stolz auf alles, was der Kunde als Dreingabe bekommt und brüstet sich mit Gratis-Patches und ähnlichem, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Forscher des Konzerns sind im vergangenen Winter aber einen Schritt weiter gegangen und schlugen dem Konzernmanagement vor, einige Massenanwendungen auf dem Desktop gratis anzubieten. Das hat der US-Branchendienst Cnet jetzt erfahren.

Die Anwendungen ‘Works’, ‘Money’ und sogar das Betriebssystem ‘Windows’ selbst im Paket mit Versionen von ‘Outlook Express’ und dem ‘Media Player’ sollen Microsoft auch in der kostenlosen Ausgabe Vorteile bringen. Das geht aus einem internen Papier hervor, das der Presse vorliegt. Das Angebot soll durch Werbeeinnahmen finanziert werden. Das haben sich, dem Bericht zufolge, einige Mitarbeiter beim jährlichen Brainstorming aller Microsoft-Angestellten überlegt.

Bei diesen jährlichen Aktivitäten werden alle Mitarbeiter des Konzerns aufgerufen, Ideen zur Verbesserung des Geschäfts von Microsoft bei Bill Gates und dem Top-Management einzureichen, die erfolgversprechendsten Ideen werden dann prämiert. In diesem Umfeld entstand auch das eingereichte Papier eines Softwareforschers und eines Angestellten aus der Abteilung ‘Microsoft Network’, kurz MSN.

Sie überlegten demnach, wie Microsoft im Wettstreit mit dem Internetkonzern Google besser bestehen kann und kamen auf die Lösung, bestimmte Applikationen kostenlos anzubieten. Denn wenn immer mehr werbefinanzierte Gratis-Software auf dem Markt ist, muss sich Microsoft auch bewegen. Das geht allerdings nur mit Anpassungen. Die Lösungen müssen demnach beispielsweise auch als Online-Version denkbar sein. Das widerspricht den neuen ‘Live’-Angeboten nicht, sondern soll diese in einem anderen Kundenbereich ergänzen. Außerdem sollten sie so interaktiv sein, dass auch Video-Werbung und multimediale Anzeigen eingepasst werden könnten. Schließlich ist das Geschäft mit werbefinanzierter Software schon ein paar Monate alt.

Aber Microsoft muss sich auch nach Einschätzung von Top-Managern wie Ray Ozzie bewegen. Der Chief Technology Officer wies beim Thema der sinkenden Margen im Consumer-Bereich darauf hin, dass die Konkurrenten bereits solche Gratis-Pakete anböten. Und wenn diese so vorgingen, könne Microsoft es sich nicht leisten, beiseite zu stehen. Er sagte kürzlich in einem Memo an die Angestellten zum Thema erfolgversprechende Trends: “Wir müssen schnell und entschieden reagieren.” Und: “Unser Geschäft, wie wir es heute kennen, ist sonst in Gefahr.” Dabei bezog er sich auf die Geschäftsmodelle von Salesforce.com, die mit einer Mietversion von CRM-Paketen Geld verdienen und von Google, die als Internet-Suchmaschine anfingen und Microsoft mittlerweile in mehreren Bereichen den Kampf angesagt haben.

Den Redmonder Forschern ging es darum, genau dies zu verhindern, dass Microsoft erst auf bestehende Geschäftsmodelle anderer Firmen reagieren muss. Sie wollen erreichen, dass ihr Arbeitgeber jetzt aktiv wird, bevor beispielsweise eine werbefinanzierte Version von ‘PowerPoint’ auf den Markt kommt.

Die sinkenden Margen im Bereich von Anwendungssoftware im Consumer-Bereich und eine eventuelle Reaktion darauf mit eigener Gratis-Software auf dem Desktop – das ist es aber nicht allein, was Microsoft wieder innovativ machen soll. Die Angestellten wollen auch an das “Allerheiligste”, das Betriebssystem heran.

Demnach würde eine schlanke Windows-Version, die webfähig gemacht wurde, auch Online zu haben ist und dabei Werbung mit sich bringt, den Zweck schon erfüllen. Das Problem dabei ist nach derzeitigem Stand der Plattform nur, dass es technisch nicht möglich ist, Anzeigen einzubauen, die nicht als störend empfunden werden. Aber das Argument, das die Ideengeber aufführen, ist schlagkräftig: Gerade mal 9 Dollar Umsatz bringt das Betriebssystem pro Jahr und Nutzer demnach in die Kasse. Mit werbefinanzierten Ausgaben der Plattform soll die Verbreitung wieder stärker zunehmen und der Ball, der zwischen Google und Microsoft hin und her gespielt wird, wäre wieder in Microsofts Feld. Doch vorerst hat diese Idee nicht den Stellenwert eines echten Plans, sondern nur den einer Annahme einzelner Angestellter, betont die Firmenzentrale.

In einem ganz anderen Bereich hat sich der Gedanke an Gratis-Software dagegen schnell durchgesetzt. Es gibt jetzt ein Microsoft-Programm für Nutzer, die sich in dem Lizenz-Wirrwarr ihrer Microsoft-Versionen besser zurechtfinden wollen. Und das ist zunächst einmal kostenlos. Zumindest in der englischen Version und vorerst nur für Privat- und Geschäftskunden in den USA soll das Produkt ‘Product Licencing Advisor’ den Kunden helfen, sich für das richtige Lizenz- und Pricing-Modell zu entscheiden. Das Werkzeug dürfte aber nicht in die Kategorie fallen, die Google aufmerksam werden lässt. Handelt es sich doch hier gewissermaßen um ein Zugeständnis, dass einige Kunden wohl wegen der Lizenzen frustriert sind.