Cyberterror: Eine Gefahr wie jede andere

Regierungen versuchen einem möglichen Angriff aus dem Internet entgegen zu treten. Der Aufwand dafür wäre derzeit für Terroristen zu groß, die Gefahr ist aber real.

Der Nachfolger Clarks als Beauftragter für Cyber Security in der US-Regierung, Amit Yoran, trat trotz des hohen Etats im Oktober 2004 nach nur einem Jahr im Amt zurück – aus Frust, munkelt man, weil sich das Ministerium zu wenig der Computersicherheit widme.

Wie nah sind wir einem “digitalen Dschihad”?

Niemand bestreitet, dass ein verteilter Cyberangriff großen Schaden anrichten würde. Steht uns also tatsächlich ein “digitaler Dschihad” bevor, wie Yevgeny Kaspersky, russischer Security-Guru und Gründer von Kaspersky Labs, es nennt? Sicherheitsexperten sehen eine aktuelle Gefahr nicht. Der Aufwand wäre einfach zu groß. Attentate mit physischer Gewalt führen – so provokativ das auch klingt – einfach schneller zum Erfolg. Ein Planspiel des US Naval War College, das einen massiven Cyberangriff auf amerikanische Netzwerke simuliert hatte, kam zu dem Schluss: die Angreifer bräuchten Infrastrukturen im Wert von etwa 200 Millionen Dollar, extensives Know-how und mehrere Jahre der Vorbereitung, um einen Effekt zu erzielen, der des Begriffs “Cyberterror” würdig wäre.

Der frühere CIA-Direktor Robert Gates ist da anderer Meinung. Er ist davon überzeugt, dass die größte Gefahr in der Waffenkiste der Terroristen der Cyberterrorismus sei, noch vor atomaren, biologischen oder chemischen Waffen. Innerhalb von zwei Tagen könnten Hacker das gesamte amerikanische Stromnetz lahm legen, hatte er auf einer Konferenz behauptet. Und weil der Begriff Vergeltung auch den Amerikanern nicht fremd ist, blieb keinem das Herz stehen als Anfang Februar 2003 durchsickerte, dass Washington bereits “Richtlinien für Cyberangriffe gegen feindliche Computer-Netzwerke” in der Schublade habe.

Planspiele sind dazu da, umgesetzt zu werden

Vielleicht ziehen sich die Politiker auf die ermittelte Erkenntnis zurück, die Gefahr sei derzeit nicht allzu groß und deshalb kümmere man sich um wichtigere, physisch greifbare Dinge. Doch selbst bei größter Anstrengung durch Gesetze oder Initiativen werden die Möglichkeiten für religiös motivierte Hacker aller Wahrscheinlichkeit nach nicht reduziert. Bislang ist jede Technik geknackt worden und Virenschreiber wird es auch unter den Fanatikern geben. Welche Auswirkungen Malware haben kann, hat zuletzt Zotob gezeigt. Der Virus ging zwar nicht auf Versorgungsanlagen los, machte aber deutlich, wie schnell sich ein Fehler im System zum echten Problem auswachsen kann.

Die Politiker stehen trotz der in die Bekämpfung des Cyberterror gepumpten Millionen am Anfang ihres Problems: Wie könnte ein möglicher Angriff aus dem Internet verhindert werden? Die schlüssigste Antwort zur jetzigen Zeit ist: Gar nicht. Selbst ihnen muss inzwischen klar sein, dass kein Sicherheitsmechanismus die Terrorgefahr kalkulierbar macht. Solange die westlichen Mächte ihre Politik gegenüber den islamischen Staaten nicht überdenken, haben Terroristen Zeit, Know-how und Geld zu sammeln, um das Planspiel in die Realität umzusetzen.

Nach den ersten Anschlägen von London am 7. Juli kursierte der Satz eines Terrorhelfers durch die Medien. “Wir müssen nur einmal Glück haben, Ihr immer.”