Wie teuer wird die elektronische Gesundheitskarte?

Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich soll die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland bringen, vor allem bei den Krankenversicherungen. Bei den Ärzten tritt sie eine Investitionslawine los.

Fassbinder ist optimistisch, dass die ursprünglichen Prognosen von 1,4 bis 1,8 Milliarden Euro Einführungskosten nicht wesentlich überschritten werden, und rechnet vor: Die Karten für die 80 Millionen Versicherten schlagen mit etwa 3 Euro pro Stück zu Buche. Was die Ausstattung der Leistungserbringer betrifft, also der 130.000 Arztpraxen und Psychotherapeuten, 55.000 Zahnärzte und 21.000 Apotheken, kalkuliert er mit einer Investition von jeweils 3000 bis 3500 Euro für die grundlegende eGK-Infrastruktur. Hinzu kämen die 3500 Krankenhäuser und Reha-Kliniken.

Letztere dürften sich allerdings kaum mit nur einem Zugangspunkt fürs eGK-Netz begnügen, genauso wie größere Arztpraxen mit mehreren Behandlungszimmern. Nicht nur deswegen darf angenommen werden, dass die Gesundheitskarte bei den meisten Ärzten eine Investitionslawine lostreten dürfte, die in den bisherigen Prognosen kaum berücksichtigt wurde.

Ärzte müssen investieren

“In den Arztpraxen fallen die höchsten Investitionskosten an”, bestätigt Fassbinder. Nach einer Statistik aus Nordrhein-Westfalen sind lediglich 80 Prozent der Arztpraxen mit Computern ausgestattet, und davon ist ein guter Teil bereits veraltet. Diese sowie die restlichen 20 Prozent müssten ihre IT-Infrastruktur von Grund auf neu aufbauen – inklusive spezieller Anwendungen, Vernetzung und Digitalisierung von Patientenakten.

Außerdem steht laut Markus Neth vom PKV noch lange nicht fest, ob die 3000 bis 3500 Euro für die grundlegende eGK-Ausstattung überhaupt ausreichen werden. “Wie schlank oder wie fett soll zum Beispiel der Konnektor sein? Wie viel Funktionalität soll er haben?” Neth würde einen schlankeren Konnektor bevorzugen weil er weniger Wartung bräuchte, doch dazu müsste erst einmal das Management der zentralen Dienste geklärt werden, was wiederum erst die Lobbys der Ärzte und der Krankenversicherungen unter sich ausfechten müssen.
 
Die Kosten für die Infrastruktur der Krankenversicherungen können je nach Auslegung des Betreibermodells noch um einiges schwanken. Die Gesundheitskarte wird zwar auch einiges an Einsparungen ermöglichen, doch die Versicherungen müssen erst einmal in die Vorkasse gehen. Zu den kostenintensiven Maßnahmen im Vorfeld der Einführung gehören die Implementierung eines Systems für die Vergabe der neuen Versicherungsnummern sowie die Aufnahme von Fotos auf den Karten. Diese beiden Maßnahmen sollen vor allem den teilweise heftigen Missbrauch eindämmen, wenn mehrere nicht versicherte Personen unberechtigt auf Leistungen eines Versicherten zugreifen.

Wo gespart werden kann

Was dieser Missbrauch den Krankenkassen heute kostet und wie groß die Einsparungen durch dessen Unterbindung sein werden, kann heute kaum zuverlässig geschätzt werden. Konkreter sind die Erwartungen, wenn es um die zwei Pflichtfunktionen der Karte geht, die Speicherung des Patientenstatus (außer den personenbezogenen Daten soll auch der Zahlungsstatus automatisch aktualisiert werden) und die Einführung des elektronischen Rezepts. Die sollen den Versicherungen jährlich jeweils 150 Millionen Euro einsparen.

Die großen Einsparungspotenziale liegen jedoch bei der Einführung von Funktionen, die in der ersten Phase nicht obligatorisch sind. Dazu zählt die elektronische Patientenakte, die voraussichtlich erst in drei bis vier Jahren eingeführt werden soll. Noch ist nicht sicher, wo und in jeweils welcher Vollständigkeit die Patientenakte lagern soll. Für die eGK selbst wird sie mit Sicherheit zu groß sein, dass sie vollständig bei einem oder mehreren Ärzten lagern soll erscheint ebenfalls wenig sinnvoll. Warum sollte beispielsweise ein Orthopäde eine Akte über die Hautkrankheiten eines Patienten führen?

Denkbar wäre ein Provider-Modell, nach dem mehrere große Dienstleister im Auftrag der Kostenträger Datenbanken unterhalten, die über entsprechende Sicherheitsmechanismen die für einen bestimmten Arzt oder Klinik relevanten Teile der Akte (mit Einverständnis des Versicherten) zugänglich machen. Oder dass eine zentrale Schaltstelle den Zugang zu Datenbanken der behandelnden Ärzte herstellen, wie es in Holland der Fall ist.

Wie auch immer die Auslegung sein wird: Fest steht, dass die Versicherungen kräftig in ihre Infrastrukturen investieren werden müssen, und zwar lange bevor Einsparungen tatsächlich realisiert werden.