Analysten drängen Oracle zu Linux-Zukauf

Der jüngste Frontalangriff von Oracle-Chef Larry Ellison auf Red Hat deutet auf ein tiefer gehendes Interesse. Auch Analysten scheinen ein Oracle-Linux herbeizusehnen. Kurz gesagt: Da braut sich was zusammen.

Laura DiDio von der Yankee Group ist davon überzeugt: Die Zeit ist reif für Oracle, um eine eigene Linux-Distribution herauszubringen. Entweder als selbst entwickelte Variante oder aber durch einen Zukauf. Letzteres scheint wahrscheinlicher.

“Wenn sie nicht irgendwo ein geheimes Forschungslabor und dort in den vergangenen zwei Jahren ein komplettes Linux-Stack entwickelt und getestet haben, müssen sie sich noch in diesem Jahr in diesen Markt einkaufen”, sagte DiDio. Verpasse Oracle den Anschluss, werde Red Hat dem Konzern vor der Nase davonlaufen. Laut der Analystin beherrscht Red Hat 75 bis 80 Prozent des Marktes für kommerzielle Open-Source-Distributionen.

Da gleichzeitig auch 80 Prozent der Linux-Datenbanken unter Oracle laufen, wäre eine eigene Linux-Distribution für den US-Konzern eine ideale Lösung. Finanziell dürfte das kein Problem sein: Bei der Vorstellung der jüngsten Quartalszahlen in der vergangenen Woche präsentierte Oracle einen Gewinn von 1,3 Milliarden Dollar für das vierte Geschäftsquartal – der Umsatz stieg um 25 Prozent auf 4,8 Milliarden. Die verfügbaren Bar-Reserven summieren sich laut DiDio auf 7,7 Milliarden Dollar.

Die Analystin empfiehlt Oracle Novell als Kaufkandidaten. Beide Unternehmen würden bereits seit knapp 20 Jahren eng zusammenarbeiten, zudem habe Novell ein solides Management und sei technologisch in manchen Bereichen Red Hat überlegen. Als Alternativen zu einem Novell-Zukauf sieht DiDio außerdem Mandriva, Turbolinux oder Ubuntu.

Der Bau einer eigenen Distribution mache dagegen wenig Sinn. Schließlich könne sich Oracle durch einen Zukauf einen schnelle Zugang zu einer Open Source Community und zu einer installierten Basis verschaffen. Und das ganz ohne teure Investitionen in die Entwicklung.

Tatsächlich scheint Larry Ellison auf den Rat der Analystin zu hören. Zumindest teilweise. Allerdings scheint er statt Novell eher Red Hat im Visier zu haben. “Unsere Kunden sind nicht zufrieden mit dem Support dieses Unternehmens. Also bieten wir ihnen und anderen diese Unterstützung an”, sagte Ellison und eröffnete mit diesen Worten ein Global Support Center für Red-Hat-Linux-Distributionen.

Der Schritt erfolgte allerdings ohne Wissen und Zustimmung von Red Hat selbst. Das legt die Vermutung nahe, dass es Oracle weniger um den Support-Aspekt geht, sonder darum eine eigene Linux-Distribution zu lancieren – auf der Basis von Red Hat. Dafür spricht auch eine andere Äußerung Ellisons, deren provokanter Unterton kaum zu überhören ist: Er sei davon überzeugt, dass Red Hat seine Linux-Distribution nicht als geistiges Eigentum schützen könne.

Oracle hatte bereits vor einiger Zeit angekündigt, eine eigene Linux-Distribution etablieren zu wollen. Damals wurde in der Gerüchteküche aber noch eine mögliche Novell-Übernahme hoch gehandelt. 

Das mache aber aufgrund der Eigentümerverhältnisse bei Suse keinen Sinn, hieß es nun von Ellison. Denn: Aufgrund der Involvierung von IBM bei Suse-Linux könne “bei einer Übernahme eine sehr unkomfortable Situation” entstehen. Es scheint, als stünde Red Hat mit dem Rücken zur Wand.