Herbe Kritik an Merkels IT-Gipfel

Aus dem Mittelstand, von Datenschützern und aus der Opposition bezieht Angela Merkel Kritik für den ersten nationalen IT-Gipfel. “Reine Show” nannte etwa die FDP das Treffen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in ihrem wöchentlichen Podcast den IT-Gipfel der Bundesregierung mit großen Worten angekündigt. “Wir als Bundesrepublik Deutschland” sollten mehr teilhaben an der Revolution in der Informations- und Kommunikationstechnologie. “Nutzer und Entwickler” sollten an einem Tisch sitzen, und gemeinsam über Zukunftstechnologien und deren Auswirkungen und Chancen diskutieren.

Mit “wir als Bundesrepublik” ist aber offenbar nicht die Nation gemeint. Bei dem Gipfel kamen lediglich die Großen der Branche zu Wort. Die Software AG, Microsoft und AMD entsandten ihre Vertreter. Unter den Teilnehmern waren unter anderem auch der Geschäftsführer von Ebay Deutschland, August-Willhelm Scheer von der IDS Scheer AG, René Obermann, Vorstand der Deutschen Telekom, oder Peter Zenke, Vorstand der SAP AG.

“Wir als Bundesrepublik” bedeutete für den IT-Gipfel eben die Elite der Nation. Auch der Austragungsort, das privat finanzierte Hasso-Plattner-Institut, IT-Kaderschmiede für etwa 330 handverlesene Studenten, könnte als Signal in die falsche Richtung verstanden werden.

Bei dem “wir als Bundesrepublik” teilen sich 100 Schüler 8,9 Rechner und liegen damit im europäischen Vergleich auf den hinteren Rängen. In Dänemark kommen auf 100 Schüler 27,3 Rechner, die für die Ausbildung verwendet werden, kritisiert etwa die Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach. Für sie hält “die Gipfelshow der täglichen Realität leider nicht stand”.
Merkel erwecke den “Eindruck eines Staatsaktivismus, der gar nicht ihre Aufgabe ist”, kritisiert Flach. Schließlich solle die Wirtschaft für die technologischen Lösungen sorgen und nicht der Staat. Der hätte vielmehr für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, die ihrer Meinung nach der technologischen Entwicklung hinterher humpeln. “Deshalb muss der IT-Gipfel vor allem zu Vereinbarungen mit den Ländern und Kommunen über die Modernisierung der Schulen und Verwaltungen führen.”

Eine der wenigen konkreten Aussagen von Regierungsseite, war der Plan, bis 2012 den Informationsaustausch zwischen Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung voll elektronisch abzuwickeln. Ein Hinweis auf eine verbesserte Bildungspolitik sucht man in den zwölf Punkten der ‘Potsdamer Initiative’ vergeblich.

Vielleicht verbirgt sich dieses Vorhaben hinter dem Versprechen, in den Bundesministerien “zentrale IT-Verantwortlichkeiten” festzulegen oder eben verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen. “Das Konzept Informationsgesellschaft Deutschland 2010 (iD2010) enthält keine verbindlichen Aussagen, was wann umgesetzt sein soll”, kritisiert daher FDP-Politikerin Flach.

Für Kopfschütteln sorgte zudem die Tatsache dass der Mittelstand “systematisch außen vor gelassen” wurde, wie etwa Harald Summa, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Internetwirtschaft eco kritisierte. Der Mittelstand trage schließlich maßgeblich zu den von der Regierung geforderten Innovationen und auch zum wirtschaftlichen Wachstum in der IT bei. eco vertritt etwa 300 Mitgliedsunternehmen, die rund 200.000 Mitarbeiter beschäftigen und etwa 40 Milliarden Euro jährlich umsetzen.

Kopfschütteln gab es auch über die Tatsache, dass “wir als Bundesrepublik” einen Datenschutzbeauftragten bestellen und bezahlen und diesen dann nicht zu einer Veranstaltung wie dem IT-Gipfel einladen. So erklärte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung: “Man leistet sich Institutionen, die dafür sorgen sollen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleibt – und dann lädt man sie zu so einem wichtigen Termin nicht ein.”

Gäste, die eine Einladung zum IT-Gipfel erhalten haben, schienen angetan. “Aus Unternehmersicht war der erste nationale IT-Gipfel in Potsdam ein guter Auftakt für eine engere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung”, kommentierte etwa Winfried Materna, Geschäftsführer der Materna AG. Der Gipfel zeige, dass die Regierung die wirtschaftliche Bedeutung der IT-Branche erkannt habe. Die wachsende Bedeutung verschärfe jedoch das Problem des Fachkräfte-Mangels. “Wir erhoffen uns daher auch, dass der IT-Gipfel neue Impulse bringt, eine Lösung für dieses Defizit an qualifizierten Mitarbeitern zu finden.”