Oracles BI-Palette bekommt durch Hyperion frischen Wind

Mit dem 3,3 Milliarden Dollar schweren Kauf von Hyperion hat Oracle einen Schachzug getan, der weitere Schritte nach sich ziehen muss. Denn Hyperion bietet nicht nur Reporting, sondern bedient die Berufsehre der Controller: ihre Objektivität.

Der 25 Jahre alte US-Anbieter bringt Business Intelligence (BI) für spezielle strategische Aufgaben mit, eng verknüpft mit solidem Prozess-Handwerk. Besonders mit der neuen ‘Hyperion System 9 Suite’ erhält Oracle nach dem Kauf ein Werkzeug, das die Geschäftsanalyse mit stringenten Finanzwerkzeugen verbindet. Das ist mehr, als die bei Oracle mehrfach vorhandenen Reporting-Tools können. Für Rüdiger Spies, Independent Vice President Enterprise Applications bei IDC, kam die Übernahme deshalb nicht überraschend. Nicht zuletzt, weil sich Oracle damit im Unternehmen über den SAP-Lösungen positioniert.

“Nach abgeschlossener Akquisition wird Oracle über ein Instrument verfügen, den Erzfeind SAP zielstrebiger unter Druck setzen zu können”, sagte er. Besonders die Verankerung von Hyperion-Produkten bei den Chief Financial Officers (CFO) oder Controllern dürfte Oracle demnach gut zupass kommen. “Wenn man 20 Jahre zurückgeht, war es genau dieser Bereich, in dem SAP mit FI/CO seinen Siegeszug angetreten hat”, so Spies.

Doch der Analyst gab zu Bedenken, dass es in den CFO-Bereichen der Unternehmen beliebt sei, andere Software zu benutzen als solche, die in den operativen Bereichen eingesetzt wird. “Damit wollen die Controller ihre Position als unabhängige Aufseher demonstrieren. Lösungen wie von Hyperion erlauben derzeit ein Unternehmensmanagement auf einem höheren Niveau zu gestalten, als es auf dem Niveau der operativen ERP-Systeme (Enterprise Ressource Planning) erfolgt.”

Und genau hier beginne es für Oracle schwierig zu werden, meint Spies. Schließlich wolle der Konzern wahrscheinlich die Hyperion-Lösungen als eine Art Brückenkopf verwenden, um die reichlich zugekauften weiteren Anwendungen loszuschlagen. “Dabei ist aber sehr fraglich, ob sich die Controller als Brückenkopf für das Vertriebsgeschehen werden benutzen lassen. Zum anderen würde auf diese Weise die unabhängige Softwarenutzung fallen, wenn auch in Folge weitere Oracle-Applikationssoftware eingesetzt würde”, führte er an.

Reibereien sind vorprogrammiert

Ferner müssten die Firmen mit Reibereien rechnen, wenn sowohl SAP als auch Oracle-Lösungen eingesetzt werden. “Es scheint also vielmehr wahrscheinlich, dass die Controller sich anderen Lösungen zuwenden, wenn Oracle auf diesem Wege Applikationssoftware verkaufen will. Andererseits bahnen sie damit auch SAP einen besseren Weg zu den Controllern, wenn diese davon abrücken, zur operativen ERP-Plattform unterschiedliche Software zu nutzen”, so Spies. Bei alledem dürften auch die aktuellen Hyperion-Kunden nicht vergessen werden. Auch sie müssten weiterhin mit der gewohnten Produkttiefe bedient werden, denn “sonst reißt trotz des potentiell guten Angebotes der Zugang zum CFO-Office ab”. Oracle hat schließlich mit Hyperion etwas mehr erworben als einen Rechen- und Analysespezialisten.

Jürgen Rosenhagen, Director Marketing bei Hyperion Deutschland, betonte gegenüber silicon.de anhand der ‘System 9 Suite’ die Besonderheiten der Lösungen. “Die neue Suite steht für beides, Finanzmanagement-Applikationen und BI. Das war zwar bisher in der Branche unverbunden, gehört aber unweigerlich zusammen. Schließlich betrifft eine strategische Finanzplanung ja das gesamte Unternehmen”, sagte er. Für die Darstellung und Untersuchung habe es aber bisher nur isolierte Reporting-Tools gegeben. Oder, noch schlimmer, die Kunden würden die Analyse und Strategie mit Hunderten verschiedener Spreadsheet-Formate bewerkstelligen. Das soll die Suite vereinheitlichen.

“Besonders Firmen, die international tätig sind, brauchen eine einheitliche Sicht auf ihre Planungen und ihren Ist-Status”, sagte Rosenhagen. “Zum einen müssen sie nach dem deutschen Handelsgesetzbuch dem Fiskus Rede und Antwort stehen, zuweilen auch der Bank. Zum anderen müssen internationale Investoren, Partner und manchmal auch Kunden diese Firmen einschätzen können. Dafür müssen die Daten vergleichbar sein. Und um dies zu sein, können sie nicht in Spreadsheets vorliegen, die oft in jeder Abteilung nach unterschiedlichen Kriterien angelegt wurden und bereits intern nicht verglichen werden können. Ein solches Unternehmen kann kein Vertrauen bei internationalen Investoren gewinnen, weil es seine Zahlen nicht im Griff hat. Die Zusammenführung ist also ein echter Schmerzpunkt für die Kunden geworden. Das gilt für jede Größe.”

Die Konkurrenz wird aggressiver

Diese Fähigkeit verkauft jetzt Oracle an seine Bestands- und Neukunden. Ob die Produkttiefe bis hinunter zur Analyse von Gewinn- und Verlustrechnungen für die strategische Geschäftsplanung in der bestehenden Form bleibt, wird in der Branche bezweifelt. Und die Konkurrenz schläft nicht. Nach ihren Reaktionen befragt, sagten auf der CeBIT 2007 in Hannover sowohl SAS als auch Cognos, dass sie näher an die Abteilungen herangehen wollen. SAS verfolgt den Ansatz “BI for all” und versucht durch technische Vereinfachung, mehr Support und vorgefertigte Analysen die Fachanwender in den Abteilungen zu überzeugen.

Erich Leitner, Vice President Continental Europe von Cognos, sagte offen: “Wir sehen als unabhängiger Lösungsanbieter großes Ablösepotential durch die Marktkonsolidierung. Hyperions Lösungen sind aber unter gewissen Aspekten überholt – beispielsweise haben sie keine Integration in serviceorientierte Architekturen. Das bringt Cognos 8 bereits mit.” Es habe bereits in der Vergangenheit Ablösungen von Hyperion-Umgebungen durch Cognos gegeben und er rechne verstärkt damit, dass die Bestandskunden von Hyperion sich jetzt nach Alternativen umsehen. 

Die Konsolidierung wird also tiefgehende Veränderungen am Markt nach sich ziehen. IDC-Mann Rüdiger Spies hält es ebenfalls für logisch, dass “sowohl SAP als auch andere Anbieter mit Performance-Management-Lösungen, beispielsweise Cognos oder Business Objects, nun aggressiver vorgehen werden”. Oracles Akquisition von Hyperion sei ein geschickter Schachzug, um sich oberhalb von SAP-Implementierungen zu positionieren. “Es bleibt allerdings fraglich, ob es Oracle gelingt, die damit erworbene Position verteidigen zu können, weil sich Oracle damit auch eine Reihe von Problemen aufgehalst hat, die schon bei vorangegangenen Übernahmen nur unzureichend adressiert wurden.”

Für Oracle existieren derzeit ausschließlich die Vorteile. Der Konzern will mit den neuen Lösungen, wie Oracles Co-President Charles Philips neulich sagte, SAP ein bisschen Staub schlucken lassen. SAP zähle schließlich Tausende Kunden, die ihre Finanzplanungen und weitere strategische Aufgaben mit Hyperion machten, so Philips bei der Kaufankündigung. Nach dem Kauf müssten genau diese Kunden ihre darunter liegenden SAP-ERP-Daten durch die Brille von Oracles Hyperion betrachten und analysieren – wovon Oracle profitieren will.