Galileo versucht den Befreiungsschlag

Europas krisengeschütteltes Satellitenprojekt Galileo steht vor einem Kurswechsel.

“Wir diskutieren jetzt, ob wir beim Aufbau weiter auf das Betreiberkonsortium setzen können”, so Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am 7. Mai in Brüssel. “Aber die Hoffnungen sind sehr gering.”

Tiefensee ist derzeit zugleich Vorsitzender des EU-Verkehrsministerrats. Hintergrund ist, dass die Minister dem Galileo-Konsortium ein Ultimatum gestellt haben, nach dem es bis zum 10. Mai seinen Verpflichtungen zum Aufbau der gemeinsamen Betreiberfirma nachkommen soll. Zum Konsortium gehören Aena und Hispasat (Spanien), Alcatel und Thales (Frankreich), EADS, Inmarsat (Großbritannien), Finmeccanica (Italien) sowie die deutsche Firma Teleop, an der die Deutsche Telekom beteiligt ist.

Die EU-Verkehrsminister fordern unter anderem eine klare Aufgabenteilung und einen handlungsfähigen Chef. Zudem sollen die Firmen einen Konzessionsvertrag unterzeichnen. Er sehe jedoch nicht, wie die Verhandlungen aus der Sackgasse kommen könnten, sagte Tiefensee. Die Firmen hätten Forderungen zur Absicherung der Kapitalrendite gestellt, die “uns nicht weiterführen”.

Beobachter hatten seit langem bemängelt, dass Galileo von nationalen Egoismen behindert wird. So machten die Betreiber mit Streitigkeiten um die Standorte und die Risikohaftung Schlagzeilen. Nachdem sich Deutschland und Italien jeweils ein Galileo-Kontrollzentrum gesichert hatten, beanspruchte auch Spanien ein Kontrollzentrum. Die Firmen wollen bei einem Ausfall zudem nicht für entstehende Schäden aufkommen und die Haftung den EU-Staaten überlassen.

Als fragwürdig gilt auch die Finanzierung. Zunächst war geplant, dass die Firmen Galileo in einer Public Private Partnership auf eigene Kosten aufbauen und dann 20 Jahre lang als Konzessionäre kassieren können. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden, werde er bis zum Treffen der EU-Verkehrsminister im Juni einen Vorschlag für eine “andere Form der Finanzierung” erarbeiten, sagte Tiefensee. Die öffentliche Hand könnte sich stärker um den Aufbau kümmern, während die Privatwirtschaft für den Betrieb zuständig sein solle.

In der Branche hieß es zudem, dass der Aufbau von Galileo künftig von der Europäischen Weltraumbehörde ESA koordiniert werden könnte. Die Privatfirmen könnten sich daran beteiligen – aber nicht als Koordinatoren, sondern als Auftragnehmer, so dieses Szenario. Wenn das Projekt fertig sei, könnte es an einen privaten Betreiber übergeben werden.

Derweil haben Politiker gefordert, Galileo in Analogie zum konkurrierenden System GPS (Global Positioning System) für das Militär zugänglich zu machen. “Ich bin auch für eine militärische Nutzung des Systems”, sagte der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, dem Handelsblatt. Dies wäre ein Schritt zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, so Friedrich.

Deutschland lehnte eine Nutzung von Galileo durch Polizei und Militär bislang ab, während Frankreich dies forderte. Ursprünglich sollte das System mit 30 Satelliten ab dem kommenden Jahr seine Daten zur Erde funken. Bislang ist ein Testsatellit im All – Optimisten rechnen jetzt mit einem Start im Jahr 2010.