Finanzdienstleister dürfen bei Web 2.0 nicht nur Beifahrer sein

Wer Web 2.0 nicht komplett integriert, verliert. Das gilt auch für Finanzdienstleister. Diese müssen Web 2.0 verstehen und proaktiv einsetzen, bevor sie von den Gefahren, die die sozialen Web-Techniken mit sich bringen, verschlungen werden.

Wie die Autoren einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens DB Research in Frankfurt/Main feststellten, müssen sich die Anbieter von Finanzdienstleistungen auf eine neue Ära der Kommunikation einstellen und diese zu ihrem Vorteil nutzen. ”Bei Web 2.0 müssen sie die Fahrer sein, nicht Beifahrer oder Passagiere”, hieß es. Gerade Finanzdienstleister müssen dabei schnell sein und ganz besonders viel Aufmerksamkeit mitbringen.

Nur wer die neuen Möglichkeiten schnell und überlegt adaptiere, könne den Gefahren begegnen, die das Social Web reihenweise mitbringt. Speziell die genannte Zielgruppe könne sogar Teile des Geschäftsmodells an das Web 2.0 verlieren, wie es von DB Research hieß. Den Dienstleistern könnten in der Masse große Geschäftsbereiche abhanden kommen, wenn ihre Mittlerrolle beispielsweise in Teilen des Privatkundenbereichs, bei so genannten Standardprodukten, nicht mehr als zwingend notwendig erachtet wird. Nutzer vertrauten anderen Nutzern schließlich oft mehr als professionellen Anbietern und erhielten durch Social Websites die Möglichkeit, ohne Mittelsmann einfache Finanzgeschäfte zu tätigen, wie Kredite aufzunehmen und ähnliches. Die Finanzdienstleister könnten allerdings durch eigene Web-2.0-orientierte Angebote gegensteuern.

Außerdem werden demnach innovative Bezahlsysteme in die originäre Welt der Institute und Provider einbrechen. Auch hier gelte etwas, was den Web-2.0-Bereich vor der Bankenwelt auszeichne: der Community-Aspekt. Die Idee, dass sich die Kunden untereinander besser helfen können, als ein Dienstleister mit eigenen Interessen, sei für viele potentielle Kunden attraktiv. ”Viele Nutzer vertrauen Kundenberichten und privaten Postings mittlerweile mehr als offiziellen Informationen; Per-to-Peer (P2P) in Kreditvergabe-Plattformen zieht Nutzer an, die sich direkt mit dem passenden Anbieter verbinden lassen wollen”, umschrieben die DB-Research-Experten Stefan Heng, Thomas Mayer und Antje Stobbe die neuen Geschäftsmodelle im Sektor.

Innovative Techniken wie Blogs oder Wikis bestimmen die Geschäftswelt immer mehr und machen auch vor den Finanzdienstleistern nicht halt – gerade deshalb müssen sie die Technik einsetzen, bevor Kunden abwandern oder die interne Rolle von Web 2.0 zum ungeregelten Wildwuchs wird. Schließlich habe Web 2.0 in der Geschäftswelt eine externe und eine interne Seite. Und ein Blog könne nun mal entweder nützliche und gesicherte Informationen enthalten oder schädliches Geschwätz. Auch Financial Services Provider würden sich demnach mehr und mehr bewusst, dass sie viel mehr solche Werkzeuge anbieten müssen. Das internationale Marktforschungsunternehmen Gartner Research geht immerhin davon aus, dass bis zum Jahr 2012 drei Viertel der Anbieter finanzieller Dienstleistungen echte Social Networking Tools anbieten wird.

”Web 2.0 bietet eine Kombination aus wettbewerbsfähigen Preisen und einem kongenialen Gruppennetzwerk, das viele Nutzer anzieht; die Finanzdienstleister sind darüber hinaus durch das Internet heutzutage vielmehr auf dem Präsentierteller, ihre Konditionen und Preise werden transparenter und vergleichbarer, die Margen geringer, und die Risiken bezüglich des guten Rufs werden größer. Ferner gehören die neuartigen Bezahlsysteme und die und die Online-P2P-Plattformen für Kreditvergabe und Geldverleih zum Sichtbarsten, wenn es um die Einflugschneisen der Web-2.0-Welt in den Bankensektor geht”, schrieben die Studienautoren. Daher können die Dienstleister und Institute nur gegensteuern, indem sie von sich aus auf Web 2.0 setzen und sich möglichst schnell und breit als innovatives Unternehmen präsentieren. Derzeit können Anbieter, die die neuen Werkzeuge in ihrer ganzen Breite einsetzen, sogar noch echte First-Mover-Vorteile in Deutschland mitnehmen.

Dafür müssen sie allerdings einige Regeln beachten: Die Firmen müssen die Sphäre des Web 2.0 professionell beobachten und auf Möglichkeiten hin untersuchen, welche Werkzeuge geschäftlich eingesetzt werden können. Sie müssen sich selbst als Firma im Social Web und ihre Web-2.0-Angebote ebenso fest im Griff haben wie ihre traditionelle Pressearbeit, das heißt auch, dafür extra Mitarbeiter abzustellen und Verantwortlichkeiten für sie aufzubauen und einzuhalten. Für die internen Einsatzmöglichkeiten bedarf es einer strikten Web-2.0-Policy, die die Firma schützt – ähnlich der Security-Policy, die jedes Unternehmen haben muss. Die interne Kommunikation kann am meisten und am schnellsten von Web 2.0 profitieren und sollte deshalb als erster Einsatzort gewählt werden. Bei externem Einsatz sollten sich die Firmen und eventuell beteiligte Partner an ein strenges Regelwerk halten. Due Diligence der Tools und der Bedingungen sollten dem Einsatz vorausgehen. Die Grenzen des Web 2.0 im Geschäftsalltag müssen fix sein und verteidigt werden.

Die DB-Research-Experten warnten in dem Papier explizit vor einer Vogel-Strauß-Politik. Das Web 2.0 lasse sich nicht aufhalten und die ersten in der Branche spürten demnach schon die wachsende Konkurrenz mit Finanz-Communities. ”Nur die Finanzdienstleister, die die Web-2.0-Welle reiten können, werden von ihr profitieren und die mächtigen Vorteile, die die Werkzeuge bringen, sogar zu ihrem Vorteil nutzen können.” Dies allerdings nur, wenn die Web-2.0-Präsenz dem Dienstlesiter und seinen Produkten entspricht, also konsistent und authentisch ist. Sonst wird die Transparenz und das Tempo der neuen Angebote schnell zur Falle, warnten die Studienautoren.