LBS: Mauerblümchen mit Zeug zum Superstar

Location Based Services sind bislang ein Nischenprodukt. Die Chancen für einen Durchbruch auf dem Massenmarkt stehen jedoch gut.

Weitaus optimistischer gab sich da Dirk Balfanz, Koordinator des Forschungsprojektes Servingo. Daran arbeitet T-Systems mit, das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

Balfanz, Abteilungsleiter am Zentrum für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) in Darmstadt, will den Fußball-Fans Informationen zum öffentlichen Nahverkehr, zu Parkplätzen und Sportstätten anbieten. “Ziel ist, dass sich Ortsunkundige auf Bahnhöfen, Flughäfen und Straßen schneller orientieren können”, so Balfanz gegenüber silicon.de.

Das Projekt sei allerdings ein Prototyp. “Servingo ist nicht darauf ausgelegt, drei Millionen Kunden zu bedienen.” Es komme auch nicht in ganz Deutschland zum Einsatz. “Es gibt Schwerpunkte, zum Beispiel Berlin.” Das Projekt werde bis August 2006 gefördert.

“Bis zur WM ist noch ein Jahr Zeit und da kann noch viel passieren”, hieß es auch von Peter Zimmermann, Unternehmensberater aus Ottobrunn. Zimmermann berät den Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in Sachen LBS.

Der Verband habe in Zusammenarbeit mit dem Bundesverkehrsministerium bereits LBS-Inhalte für die offizielle FIFA-WM-Site erstellt, so Zimmermann. Diese seien unter der Registerkarte ‘Auf nach Deutschland’ abrufbar. Es sei gut möglich, dass diese Inhalte zur WM auch von Mobilfunkbetreibern vermarktet werden.

ZVEI-Präsident Edward Krubasik, Mitglied des Siemens-Zentralvorstandes, hatte bereits im November 2004 angeregt, aus ‘Auf nach Deutschland’ ein “nationales Fahrplan- und Informationssystem und einen flächendeckenden Verkehrsinformationsdienst mit der Option einer europäischen Lösung” zu machen. Gegenwärtig untersuche der Verband, ob und wie das möglich sei, sagte Zimmermann.

Was LBS behindert

Die Äußerungen Sandrocks deuten auf das größte Problem hin, dass die LBS heute haben: die Komplexität. Um LBS aufzusetzen, bedarf es vieler Mitspieler – und die müssen erst einmal unter einen Hut gebracht werden.

So wird der Standort des Handynutzers vom Mobilfunkbetreiber bestimmt. Eine andere Firma steuert die Geodaten bei. Ein weiterer Anbieter liefert Inhalte wie etwa die Daten zu Hotels oder Veranstaltungstipps. Und ein Software-Unternehmen entwickelt die Applikation, die auf dem Display des Handynutzers erscheint. Zudem muss geklärt werden, wer die LBS in die Infrastruktur des Netzbetreibers einbettet, wer die Dienste hostet und wie die LBS abgerechnet werden.

Was da für einen Firmen-Mix zusammen kommt, zeigt das Beispiel des Unterschleißheimer LBS-Plattform-Anbieters Mecomo. Der bezieht Content vom Gourmetführer Gaultmillau und dem Städtemagazin Prinz. Die digitalen Kartendaten kommen von Navteq und Microsoft MapPoint. Das Wiener Unternehmen WIGeoGIS liefert die Geodaten. E-Plus, O2, T-Mobile und Vodafone stellen die Gateways für Billing, LBS, SMS und MMS. Und verkauft werden die Mecomo-Lösungen über Ericsson.

Ein weiteres Problem: Kleine LBS-Unternehmen wie Mecomo haben es nach Auskunft der Interessengemeinschaft Fellini schwer, ihre Lösungen bei den Mobilfunkbetreibern unterzubringen. Die Betreiber seien sich der Bedeutung der Kleinen zwar bewusst, hieß es von Daniel Melter, Geschäftsführer der Unternehmensberatung M-Squad. Der “Weg durch die Instanzen” sei aber viel zu lang.

So interessierten sich die Betreiber oft nur für schlüsselfertige Lösungen. Die Kleinunternehmen könnten jedoch nicht schlüsselfertig liefern, weil sie keinen Zugang zu den Entwicklungsumgebungen der Betreiber hätten. Um den LBS-Herstellern der Markteintritt zu erleichtern, habe man eine Übersicht der Partnerprogramme der Mobilfunkbetreiber online gestellt, so Melter.

Wenn die LBS ein Massenmarkt werden, dürfte noch ein weiteres Problem akut werden: der Datenschutz. Bereits jetzt sind Befürchtungen zu hören, die Mobilfunkbetreiber könnten die Privatsphäre verletzen. Die Dienste erlaubten es, Bewegungsprofile zu erstellen und zu verkaufen, heißt es. Deshalb geben alle Mobilfunkbetreiber bereits ‘Hinweise zum Datenschutz’, bevor sie einen Kunden für die LBS-Nutzung freischalten. Darin heißt es zum Beispiel: “T-Info wird die Daten nicht für andere Zwecke (wie zum Beispiel Werbung oder Marktforschung) benutzen.”

Marktaussichten: Gut

Trotz der aktuellen Probleme haben die LBS guten Marktchancen. Denn die Datenübertragung (über GPRS oder UMTS), die Satellitennavigation und die mobilen Geräte sind soweit. Und lokale Suche ist ein ganz großes Thema.

So glaubt Daniel Longfield, Telecommunications Industry Analyst bei Frost & Sullivan, dass der Umsatz im amerikanischen LBS-Markt von heute 160 Millionen Dollar auf eine Milliarde Dollar im Jahr 2010 steigen wird. Dafür werden besonders Unternehmen mit Investitionen in mobiles Arbeiten (Mobile Resource Management, MRM) und den Außendienst (Field Force Management, FFM) sorgen, so Longfield in US-Medien. Das Beispiel der ‘Geek Squad’ – des mobilen PC-Reparaturservices des US-Elektronik-Händlers Best Buy – zeige, dass Firmen bei einem Einsatz von LBS schneller auf Kundenanfragen reagieren könnten.

An pfiffigen Ideen, die auch bei den Privatleuten die Nachfrage anheizen könnten, mangelt es jedenfalls nicht. So will das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) Handynutzern die Orientierung erleichtern, indem es Gebäude auf dem Display dreidimensional darstellt.

Die Fraunhofer-Forscher gehen noch weiter. Beim LBS-Dienst ‘SketchQuery’ kann sich ein Anwender in der Stadt orientieren, indem er ein bekanntes Gebäude – etwa den Dom oder das Rathaus – auf das Display zeichnet. Das LBS-System vergleicht die Skizze dann mit seinem Datenbestand. Und präsentiert den Namen des Gebäudes, den eigenen Standort, eine Umgebungskarte und eine Wegbeschreibung.