Palm-Erfinder Hawkins: Gehirn ist Vorbild für Software

Jeff Hawkins hat Palm gegründet und dort den ‘Pilot’ erfunden, er hat Handspring gegründet und dort ‘Treo’ mit entwickelt. Jetzt hat er sich in einer neuen Firma den Neurowissenschaften zugewandt. Und die sollen die Computersoftware revolutionieren. In einem Gespräch mit dem britischen Wirtschaftsmagazin The Economist sagte er, wie.

Hawkins betrachtet seine Karrieren als Top-Manager zweier zunächst sehr erfolgreicher Firmen als Umweg. Aus der Fusion der beiden Konzerne nahm er genug Geld mit, um sich seiner wahren Leidenschaft, der Hirnforschung und -theorie zu widmen. Er legte jetzt seine neueste Theorie vor.

Laut seiner Theorie der hierarchischen temporären Erinnerung (Hierarchical Temporary Memory) gibt es neue Erkenntnisse über den menschlichen Hirnbereich “Neurocortex”. Und aufgrund dessen müssen Computer “rechnen, wie die Vorgänge im Neurocortex”. Das führe zu “wahrhaft intelligenten Maschinen”.

Sie müssten beispielsweise das speichern können, was wir beim Menschen Erinnerungsfetzen nennen. Diese müssten auch – wie sie beim Menschen in vollständige Erinnerungsbereiche integriert sind – in Speicherbereiche mit bestimmten Relationen untereinander eingebettet sein. Dieses komplexe Speicherfeld müsste dann in der Lage sein, bestimmte Voraussagen zu treffen, so wie Menschen aufgrund ihrer Erfahrungen bestimmte in die Zukunft gerichtete Entscheidungen treffen.

Hawkins reduzierte diese Struktur der Entscheidungsbäume. Sie sei im Grunde wie ein inhaltliches Organigramm aller Personen und Aufgaben einer großen Firma. Und das Hirn gehe mithilfe von Mustererkennungsknoten vor. Diese Knoten würden häufig angesprochene Verbindungsmuster “erkennen” und besonders abspeichern. Heraus komme dabei ein hierarchisch angeordnetes Organigramm, bei dem die jeweils höher stehenden Knoten durch Signale “informiert” werden, so Hawkins.

Das geschehe, sobald eine dieser oft vorkommenden Verbindungen gebraucht wird, um einen Denk- oder Erinnerungsvorgang auszuführen. Auf dieser Basis sollen die “weiter oben” angeordneten Knoten immer mehr “lernen”. Vorhersagen auf dieser Basis werden auf demselben Weg wieder nach unten weitergebeben. Somit kann die Richtigkeit der in die Zukunft gerichteten Entscheidungen bestimmt werden.

Die theoretische Grundlage für diese aus Informatik und Neurologie zusammengewürfelte Gedankenspielerei legte Hawkins schon 2004. Damals schrieb er zusammen mit der Journalistin Sandra Blakeslee das Buch ‘on Intelligence’, das sich heute noch in einem Online-Forum weiter entwickelt. Und jetzt gibt es die Software dazu. Hawkins jüngste Firma, Numenta, hat die Idee in die Tat umgesetzt und ein Stück Software dazu geschrieben. ‘Numenta Platform for Intelligent Computing‘ steht zum Gratis-Download bereit. Die Idee des Millionärs wird jetzt von Entwicklern bei Konzernen wie Electronic Arts in die Tat umgesetzt.

Die Fachwelt ist über die Thesen von Hawkins geteilter Meinung. Während die einen seine Ansichten für unausgereift halten, können die anderen eine gewisse Sympathie nicht verbergen, ließ der Economist-Autor durchblicken. Er zitierte Yann LeCun, Computerwissenschaftler an der New York University. Dieser verglich Hawkins mit den Fliegerpionieren schlechthin, den Brüdern Wright: Während einige Fachleute zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an den Formeln der Aerodynamik herumrechneten, hätten die Gebrüder einfach ein Flugzeug gebaut und ausprobiert, ob es fliegt.