Schneller, höher, weiter

Heute, um 14:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit, ist es also soweit: die Eröffnung der 29. Olympischen Spiele. Was man bisher davon zu sehen bekommen hat, war ja so erbaulich nicht: Youtube-Clips, die Proteste während eines von Bodyguards abgeschirmten Fackellaufs zeigen, und Sportfunktionäre, die rumeiern, weil sie sich mit den örtlichen Internet-Zensoren gemein gemacht haben.

Da fragt man sich halt schon: Wann hat die olympische Idee eigentlich angefangen, so zu verludern?

1980? Damals wurde der Franco-Parteigänger Juan Antonio Samaranch Präsident des IOC und nur die Jugend der halben Welt kam nach Moskau, weil die Sowjetunion gerade in Afghanistan einmarschiert war, um die dortigen Gotteskrieger zu bekämpfen – so wie zwei Jahrzehnte später dann die USA.

Oder 1981? Da beschloss das IOC, die Spiele zu kommerzialisieren. Deswegen müssen auch heuer in Peking die Schwimmer schon um 8 Uhr morgens ins kalte Wasser, damit der Geldgeber NBC zur Primetime live Bilder von den amerikanischen Favoriten senden kann.

Oder vielleicht doch erst 2002, als die Winterspiele auf Schmiergeldern in den Wüstenstaat Utah glitten? – Alles falsch!

Mit der olympischen Idee hapert es spätestens seit 776 v.Chr. Seit dieser Zeit sind die Spiele historisch belegt.

Schutzmacht war damals Sparta, das antike Vorbild totalitärer Staaten jedweder Art. Die Athleten waren empfänglich: Außer dem Siegerlorbeer bekamen sie noch Geldprämien und Geschenke und wurden auch schon mal von der Steuer befreit.

Kaiser Nero legte die Spiele so, dass sie in seinen Terminkalender passten, trat beim Rennen mit dem Pferdewagen an, stürzte von selbigem und erklärte sich hernach kurzerhand zum Sieger. Er war eine Art NBC des Altertums. Und keiner fasste jenen olympischen Gedanken, den viele Regierenden hegen, klarer als er: Ein Volk, das jubelt, macht keinen Ärger.

Pierre de Coubertin schließlich, der Erfinder der Spiele in der Neuzeit, führte die Niederlage seines Landes im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 auf die körperliche Verfassung der Soldaten zurück. Und deswegen verordnete er seiner Nation Sport.

Es war also alles schon einmal da: Gewalt, Schiebung, Korruption und Kommerz. – Aber diese Spiele werden anders. Diesmal greift das olympische Motto wirklich: schneller, höher und vor allem weiter.

Die Übertragungsraten sind höher geworden, die Netze schneller, und sie reichen weiter – bis in die entlegendsten Winkel Chinas. Auch von dort stellen die Leute mittlerweile Handy-Filmchen auf Youtube.

China war ja bislang für den Westen vor allem eines: weit weg. Deshalb konnten sich auch einige aus der anti-autoritären 68er-Bewegung den nun wirklich autoritären Mao Tse Tung als Leitfigur auskucken, weil der seinen Machtkampf “große proletarische Kulturrevolution” nannte, was von Weitem irgendwie antiautoritär klang. Inzwischen wäre sowas nicht mehr möglich.

Heute finden statt dessen Unternehmer Gefallen an China: Dort gibt es beispielsweise keine Gewerkschaften. Denn Kommunisten sind der Ansicht, dass es bei ihnen keine Gewerkschaften braucht. Diejenigen wiederum, die von ihnen als Kapitalisten bezeichnet werden, vertreten die Auffassung, dass dem überall so sei.

Weil sie damit aber so ziemlich alleine dastehen, gehen sie nach China. Dort ist alles, worüber sie andernorts klagen, gering: die Löhne, der Arbeitsschutz und die Umweltauflagen.

Yahoo etwa hat sich dort niedergelassen und weil in China das Internet zensiert wird, Surfer an die Zensurbehörden verpfiffen. Ein wirklicher Aufreger war das hierzulande allerdings auch nicht. Dieses Land ist halt trotzdem immer noch weit weg.

Jetzt allerdings rückt es ganz nahe, und nicht nur ein paar hundert Millionen Chinesen werden daran gehindert, dahin zu surfen, wohin sie wollen, sondern auch einige der hiesigen Sportreporter. Selten zuvor haben sich so viele Leute so sehr über Zensur empört wie in diesen Tagen. Denn nichts überwindet Distanzen leichter als Interesse und TCP/IP.

Insofern sind die 29. Olympischen Sommerspiele ein Erfolg. Sollen sie sie halt heute Nachmittag eröffnen. Und die Athleten können dann auch noch ein bisschen sporteln.