Social Networks werden zur Marketing-Kristallkugel

Die Marketingwelt will soziale Netzwerke in Zukunft zur besseren Vorhersage des Kaufverhaltens von Konsumenten nutzen. Zwar ist sich die Werbebranche weiterhin uneins darüber, wie erfolgreiche Online-Werbung im Umfeld von Social Networks funktioniert bzw. welche Werbeformate die höchste Akzeptanz erfahren.

Doch eines scheint sich immer stärker herauszukristallisieren: Das Aufzeichnen von Online-Beziehungen der Konsumenten – auch genannt Social Graph – ist ebenso wertvoll für das Marketing wie traditionelles Targeting und Segmentierung, wenn es um Prognosen zum Kundenverhalten geht. “Es gab in den vergangenen zehn Jahren sehr viele akademische Studien zu diesem Thema, die auf das Potenzial hingewiesen haben. Allerdings wurden sie nie wirklich genutzt”, sagt Shiv Singh von der Internetagentur Razorfish gegenüber dem Branchenmagazin Advertising Age.

“Social Web und Networks sind hervorragend zur Netnographie, also für die Marktforschung und Produktweiterentwicklung nutzbar, da Leute hier authentisch Ihre Meinung abgeben und nicht den Laborbedingungen der herkömmlichen Marktforschung unterliegen”, meint Heiko Eckert, Online-Marketing-Experte und Strategic Consultant bei bigmouthmedia, gegenüber pressetext. Außerdem gewinne man hier Informationen von Leuten, die sich eventuell ansonsten nie an Marktforschungen beteiligen würden. Online-Beziehungen zwischen den Nutzern lassen sich nach Eckerts Ansicht perfekt zu Prognosen über ein potenzielles Kaufverhalten heranziehen. “Werbetreibende können in Social Networks lernen, welche Produkte sich ihre Zielgruppe wünscht und damit einen neuen Markt eröffnen”, so der Experte.

Einzelne Start-up-Unternehmen, aber auch der Internetriese Yahoo nehmen die Social Networks langsam ins Visier, um das Kaufverhalten mithilfe der Online-Netzwerke und -Gruppen besser nachvollziehbar zu machen. Dabei soll das Verhältnis der einzelnen Mitglieder bzw. die Vernetzung der Nutzer auf potenzielle Konsumvorlieben umgelegt werden. Die Kommunikation zwischen den Personen dient gleichzeitig als Indikator für Ähnlichkeiten beim Kaufverhalten. Das können sich die Marketingabteilungen zunutze machen und verschiedene Zielgruppen besser mit ihren eigenen Produkten abstimmen. Yahoo testet ein solches Konzept bereits seit zwei Jahren und nutzt beispielsweise die Social Graphs von Instant-Messenger-Freundeslisten. Zum Einsatz kam diese Marketingstrategie bisher allerdings nur in Bezug auf Yahoo-eigene Produkte, mit Werbekunden wurden noch keine Versuche gewagt.

Joe Doran, früher in einer Führungsposition bei Microsoft tätig, leitet die Start-up-Firma Media 6 Degrees, die sich ebenfalls mit den Online-Beziehungen und deren Umlegung auf das Konsumverhalten beschäftigt. Das Unternehmen nutzt Cookies und werbedienliche Daten, um die Interaktion zwischen einzelnen Personen zu ermitteln und festzustellen, wer wem nahe steht. Anstatt Konsumenten, die in keiner Beziehung zueinander stehen, mithilfe von ähnlichen Verhaltensweisen oder Vorlieben miteinander zu assoziieren, nimmt Media 6 Degrees den umgekehrten Weg. Es werden Konsumenten miteinander in Verbindung gesetzt, die bereits in Beziehung stehen und gemeinsame Werte und Ansichten vertreten.

SocialMedia.com nähert sich dem Thema anhand einer selbst entwickelten Beziehungs-Targeting-Technologie. Diese nennt sich FriendRank und nutzt die Daten von Netzwerk-Applikationen, wie sie zum Beispiel auf Facebook zahlreich zu finden sind. Die Informationen darüber, wer etwa mit wem Online-Scrabbel spielt, werden eingesetzt, um herauszufinden, wo die stärksten Online-Beziehungen der Konsumenten liegen. Anders als Media 6 Degrees bietet das Unternehmen auch Werbung innerhalb von sozialen Netzwerken an. Typisch für SocialMedia sind Anzeigen, die zur Interaktion aufrufen, etwa als Quiz oder einzelne Frage, die beantwortet werden muss und dann an zehn Freunde des jeweiligen Nutzers weitergeschickt wird. Facebook setzt derzeit verstärkt auf interaktive Werbung und versucht damit, mehr Werbekunden an Land zu ziehen.