“Es gibt bei Open Source eine Amateur- und eine Bundesliga”

John Powell ist Chef des quelloffenen Dokumentenmanagement-Spezialisten Alfresco. silicon.de hat sich mit dem ehemaligen Oracle- und Business-Objects-Manager vor allem über das Open-Source-Geschäftsmodelle unterhalten. Er kann die Hysterie über vermeintlich gescheiterte Strategien oder verratene Philosophien nicht nachvollziehen.

silicon.de: Sind die Erfolge Alfrescos auf die Technologie zurückzuführen, oder auf das Lizenzmodell?

Powell: Im letzten halben Jahr haben wir immer mehr Interesse bei Anwendern für unsere Lösung gesehen. Dabei steht für viele die Frage im Vordergrund, wie kann ich mein System aufsetzen, ohne dass ich nächsten Jahr dafür zur Kasse gebeten werde? Für viele unserer Kunden ist es vor allem wichtig, frei zu sein und mit unserem Modell haben sie die Sicherheit, nicht erpressbar zu werden. Das Open-Source-Modell hilft aber nicht nur unseren Kunden, Kosten zu sparen, sondern auch uns als Hersteller. Dank des Community-Modells bekommen wir sehr viele Beiträge vor allem zu Schnittstellen mit anderen Software-Produkten. Zum Beispiel hat SAP an unserer Software mitgearbeitet. Ein anderes Beispiel sind Schnittstellen von Fax-Maschinen von verschiedenen Herstellern. Wir können uns mit unserer Stammmannschaft dann auf andere Bereiche konzentrieren, wie zum Beispiel das Versionieren und Testen.

silicon.de: Wo wäre Alfresco heute, ohne das Open-Source-Modell?

Powell: Ich glaube, dass wir nicht mehr im Markt wären. Bevor ich zu Alfresco kam leitete ich eine andere Firma, die proprietäre Software anbot. (Das britische Unternehmen Activiti bot eine Art Siebel für Banken. Anm. der Redaktion). Schließlich mussten wir dieses Unternehmen schließen. Und zwar deshalb, weil die Kosten einen geschlossenen Code zu verkaufen, einfach so erdrückend waren, dass sich das nicht mehr rechnete. Bei Open Source ist das anders.

silicon.de: Jeder, der auf Alfresco zugeht, ist ja bereits ein Anwender. Daher können sie auch im Verkauf sparen?

Powell: Richtig. Wir haben statt dessen Angestellte, die Anwender darin unterstützen können, wie man zum Beispiel bestimmte Sachen konfiguriert. Das geht meistens über das Telefon. Wir haben keine Verkaufstruppe, die sich an die Unternehmen wendet.

silicon.de: Also ist Open Source nicht nur ein Geschäftsmodell sondern auch ein Marketing-Instrument?

Powell: Aus unserer Perspektive ist diese große Verbreitung, die wir haben, und das Interesse der Kunden natürlich sehr hilfreich. Wenn wir uns den Deutschen Markt anschauen, dann sehen wir, dass die Kunden hier jedoch noch immer die herkömmlichen Sales-Handouts erwartet, auch wenn die Unternehmen Open Source offen gegenüber stehen. Das ist ein bisschen ein kulturelles Problem, dass die Deutschen noch immer auf den Besuch eines Verkäufers warten.