“Krise erfordert Radarsystem in Unternehmen”

Im Hinblick auf die Unternehmenssteuerung gilt: Eine Managemententscheidung kann immer nur so gut sein, wie die ihr zu Grunde liegenden Informationen. Diese beziehen sich häufig auf externe Entwicklungen, die den Geschäftsverlauf beeinflussen. Gerade in krisenhaften Zeiten drängt sich daher verstärkt die Frage auf: “Kann man derartige Veränderungen eigentlich früher erkennen und sein Unternehmen darauf vorbereiten?”

silicon.de: Können Sie uns am Beispiel der aktuellen Wirtschaftskrise einige dieser schwachen Signale aufzeigen?

Dr. Krampe: Gerne. Der Ursprung der Krise liegt im US-amerikanischen Hypothekenmarkt und bereits seit dem Jahr 2003 kann man in einer Statistik des Department of Housing einen sprunghaften Anstieg der Hypotheken-Kriminalität – Mortgage Loan Fraud – erkennen, der sich bis heute rasant fortentwickelt. Dieser Trend kann also seit rund sechs Jahren quartalsweise verfolgt werden. Im Jahr 2003 hat daraufhin das FBI öffentlich für das folgende Jahr 1500 zusätzliche Agenten für die Bekämpfung der Hypotheken-Kriminalität angefordert. Das Weiße Haus hat daraufhin die geforderten Agenten bewilligt, jedoch nur zur Bekämpfung des Terrorismus – der Markt werde es bei den Hypotheken schon regulieren, lautete die Begründung. Seit 2004 setzte ein Hedge Fond von John Paulson systematisch auf ein Platzen der Spekulationsblase – und er allein verdiente 2007 3,7 Milliarden Dollar. Von den zahlreichen Experten nenne ich nur Nouriel Roubini, der frühzeitig auf diese Risiken hingewiesen hat. Dies ist natürlich ein sehr spezielles Beispiel für schwache Signale, die ganz unterschiedlichen Ursprungs sein können. Aber viele mittelständische Unternehmen, die sich von solchen Signalen womöglich gar nicht betroffen gefühlt hätten, sind überrascht, dass sie auch Auswirkungen auf ihre kleine Firma haben und spüren genauso wie die Großen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise.

silicon.de: Mit welchen Methoden können sie Ihren Kunden denn einen Informationsvorsprung verschaffen?

Dr. Krampe: Wir stützen uns auf die sogenannte “Diffusionstheorie”, die im Kern beschreibt, wie sich zum Beispiel soziale oder technologische Trends entwickeln. An einem Beispiel will ich es kurz erläutern: Die positive Einstellung zu spritsparenden Autos durchdringt eine Bevölkerung wie eine Epidemie. Zunächst sind es ganz wenige Außenseiter und dann werden es durch Umweltdiskussion und Preissteigerungen immer mehr, bis zuletzt nur noch wenige Ferrari-Fahrer übrigbleiben. Diese Entwicklung folgt quasi einer Sättigungsfunktion oder auch den aus der Ökonomie bekannten S-Kurven. Ganz ähnlich läuft die Durchdringung der Märkte mit neuen Technologien – denken Sie nur an Mobiltelefone. Wenn man diese sehr stabilen Muster kennt, dann kann man auch unsere Scouts trainieren, besondere Aufmerksamkeit auf die Entwicklungsgeschwindigkeit und Relevanz neuer Trends zu legen. Das hört sich jetzt schwieriger an, als es in der Praxis ist.

silicon.de: Unternehmensumfelder sind sicher sehr komplex. Wie trennen Sie Wichtiges von Unwichtigem?

Dr. Krampe: Das ist in der Tat der schwierigste Schritt beim Aufbau eines Früherkennungssystems. Zur Auswahl relevanter Themen und Trends führen wir zum Beispiel “War Games” durch, in denen wir Angriffe von Mitbewerbern oder von politischen Lobbyisten simulieren. Als wichtigstes Verfahren erweist sich aber immer noch die Risikoanalyse von Porter, der folgende Fragen stellt: Wer dringt zusätzlich in unseren Markt? Was planen unsere Wettbewerber? Was verändert sich bei unseren Kunden und Lieferanten? Und welche Technologien substituieren unsere Produkte beziehungsweise Verfahren? Die Antworten auf solche Fragen werden mit der Mind-Manager Software strukturiert und visualisiert. Dann werden die zu beobachtenden Trends auf die Scouts verteilt und themenspezifisch geschult.

silicon.de: Wie viel Scouts brauchen Sie für ein Unternehmen?

Dr. Krampe: Das hängt von der Komplexität der Aktivitäten und des Umfeldes ab. Aktuell haben wir beispielsweise bei einem führenden deutschen Handelsunternehmen pro europäischem Land 35 bis 40 Scouts ausgebildet.