Das Flaucher-Referenzmodell

Sommer ist! Da wird das Paradies auf die Erde verlegt. Heuer in den Biergarten am Flaucherkiosk. Hinter einem rauscht die Isar. Und vor einem werden himmlische Speisen zubereitet: Grillhendl, Leberkässemmeln und Fleischpflanzl mit Kartoffelsalat.

Da muss dann schon das mächtigste Denkwerkzeug her, der Katechismus der Computerei-Orthodoxie: das ISO/OSI-Referenzmodell. Also: Der einzig harte Fakt ist, dass die Banken Milliarden in den Sand gesetzt haben, einige davon die HSH Nordbank. Sowas stellt man sich am besten auf den Physical Layer vor.

Der darüber heißt auf Deutsch Sicherungsschicht: Hierzulande existiert ja ein ausgeprägtes System der sozialen Sicherheit – zumindest für systemrelevante Banken. Deshalb gibt der Staat jenen Geld.

Die Frage wiederum, wie das den Steuerzahlern zu vermitteln ist, die für das Ganze letztendlich aufkommen müssen, ist auf dem danach benannten, darüber liegenden Layer angesiedelt, eben der Vermittlungsschicht: Es geschehe zum Wohle aller, heißt es. Und keinesfalls werde das Geld für unvorstellbar hohe Gehälter jener ausgegeben, die den Schaden angerichtet haben.

Aufgabe aller höherer Layer nun ist es, dafür zu sorgen, dass man’s trotzdem tun kann und überhaupt, was man will: Wohl darauf vertrauend, hat der Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank Nonnenmacher gedroht, dass er geht, sollte er sich mit 500.000 Euro bescheiden müssen. “Mitleid mit Dirk Jens” hätte ja sonst vielleicht eines Tages in der Zeitung gestanden. “Gehen”: Allein schon sprachlich wird klar, es war auf dem Transport Layer, wo Nonnenmacher mehr Geld herausgeschlagen hat.

Wenigstens fragen hätte Peter Harry Carstensen können, der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, bevor er seinem Landesbanker ein paar Millionen extra zukommen ließ, bemäkeln jetzt einige. Schließlich gab’s dazu ausreichend Gelegenheit während der vielen Landtagssitzungen etwa. Aber Carstensen implementierte auf dem Session-Layer einfach nichts.

Statt dessen stellte er den Obernörgler Ralf Stegner von der SPD als jemanden dar, der einen schwierigen Charakter hat. Und die Presse tat’s ihm Anfangs nach – auf dem Presentation Layer oder der Darstellungsschicht.

Eigentlich schätzen Schreiberlinge ja Leute, denen man einen schwierigen Charakter nachsagt, lässt das doch darauf schließen, dass sie überhaupt einen haben, was in der Politik nicht selbstverständlich ist. Aber die Sympathien für Ralf Stegner sind halt trotzdem gering.

Und weil das gegenwärtig seiner ganzen Partei so geht, nutzte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident von der anderen Partei die Affäre, um Neuwahlen herbeizuführen. Es war ein Trick, den er angewandt hat auf dem Application Layer, der Anwendungsschicht. So geht Parlamentarismus over Dirk Jens.

Mit der Computerei klart’s halt auf. Trotzdem ist es komisch, dass die Schleswig-Holsteiner jetzt ausgerechnet Politiker wählen sollen, die so großzügig sind – mit Geld, das ihnen nicht gehört, dass Porsche einen derart eigenen Betriebsratsvorsitzenden hat, dass die Leute teure iGadgets kaufen und dass manche Mitleid mit Madeleine haben.

Aber man soll’s ja auch nicht übertreiben mit der Erkenntnis. Sonst wird man aus dem Paradies vertrieben. Und das Wetter soll angeblich schön bleiben. Da möchte man schon wieder rein dürfen in den Garten Eden am Flaucher.

Gleich morgen, wenn’s geht. Und dann werden die Seltsamkeiten dieser Welt erneut angegangen – mit einer frischen Halbe und diesmal mit Fuzzy-Logic.