Jim Hagemann Snabe im Interview

Im Interview mit Jim Hagemann Snabe kostet silicon.de den Cocktail “Unwired Enterprise”. Das neue Mixgetränk könnte auch dem Anwender schmecken. Es sieht recht vielversprechend aus, besteht, so viel sei verraten, aus Enterprise Mobility, On-Demand und weiteren Zutaten.

silicon.de: Mixen wir doch einmal die beiden Megatrends zusammen und setzen eine Cocktail-Kirsche drauf. Wie wird denn der Arbeitsplatz von Morgen aussehen, wenn ich all meine Unternehmensdaten auf einem Server in Walldorf habe, und ich über meinen BlackBerry, iPhone, Nokia oder Android-Phone darauf zugreife?

Snabe: Wir nennen das Ganze das “Unwired Enterprise”. In der heutigen Geschäftswelt müssen Mitarbeiter von überall aus und jederzeit auf die für sie wichtigen Anwendungen zugreifen können. Über welches Endgerät sie das tun und ob das Unternehmen die Daten im eigenen Rechenzentrum vorhält oder von Anbietern wie der SAP hosten lässt, ist für sie unerheblich. Die Akquisition von Sybase bringt uns dem Ziel einen enormen Schritt näher, unseren Kunden genau diese Flexibilität zu bieten. Übrigens: Wir selbst sind gerade dabei, unsere eigene IT-Infrastruktur so auszubauen, dass die Nutzung solcher mobilen Endgeräte wie das iPad für unsere Mitarbeiter eine Option darstellt. Momentan haben wir rund 1500 iPads im Einsatz. Diese Zahl wird sich in den nächsten Monaten signifikant erhöhen. Sie sehen, wir reden nicht nur über Mobilität und das Unwired Enterprise, wir sind selbst eines und setzen auch unsere eigenen Produkte in Verbindung mit der entsprechenden Hardware ein.

silicon.de: Was bedeutet das für die verantwortlichen IT-Manager?

Snabe: IT ist heute mehr denn je ein sogenannter “Enabler” von Geschäftsprozessen. Dem IT-Manager kommt daher eine sehr wichtige Rolle als interner Business-Partner zu. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Anforderungen des Business durch die IT bestmöglich unterstützt werden. Das setzt auf IT-Seite ein tiefes Verständnis des Geschäftsmodells und der das Geschäftsmodell unterstützenden Prozesse voraus.

silicon.de: Die grundsätzlichen Möglichkeiten dieses Einsatzes von IT stehen doch jedem Unternehmen und damit jedem Wettbewerber offen! Kommen wir damit nicht dem erschreckend nahe, was Nicholas Carr meinte, als er sagte: IT does not matter? Kann ich dann als Anwender über Mehrinvestition in meine IT überhaupt noch einen Vorteil generieren? Oder muss ich mich dann über mein Business und meine Prozesse von den Mitbewerbern abheben?

Snabe: Mir scheint Carrs These an den Haaren herbeigezogen. Business und IT sind voneinander nicht trennbar. IT unterstützt Geschäftsprozesse nicht nur, sie macht sie teilweise überhaupt erst möglich. Das zeigt die Realität unserer Kunden Tag für Tag. IT und insbesondere Business Software ist für sie ein ganz wesentlicher Differenzierungsfaktor. Sie hilft ihnen einerseits, geschäftskritische Prozesse zu automatisieren, in einen Standard zu bringen und dadurch Effizienz zu schaffen. Andererseits befördert sie diejenigen Prozesse, über die man sich vom Wettbewerb unterscheidet. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Kernprozesse im Bankwesen wie etwa die Kontenverwaltung, die Abwicklung von Krediten und Hypotheken sind bei allen Geldinstituten Tagesgeschäft. Gerade bei diesen Prozessen lohnt es sich, Standardsoftware einzuführen. So schaffen die Banken Freiräume für die Aufgaben, die sie voneinander unterscheiden wie beispielsweise die Kundenbindung. Auch hier hilft Software durch ein effektives CRM-System oder Business-Intelligence-Lösungen, um die Unmenge an Unternehmensdaten beispielsweise hinsichtlich neuer Vertriebskanäle zu analysieren.

silicon.de: Ich will Sie nicht länger mit esoterischen Fragen löchern: Was dürfen wir denn künftig an Produkten erwarten, die mit einer Portion Sybase gewürzt sind?

Snabe: Drei Bereiche stehen für uns im Vordergrund. Innerhalb der nächsten neun Monate werden wir die Technologien beider Unternehmen zur weltweit führenden mobilen Plattform für Geschäftsanwendungen zusammenführen. Diese Plattform wird auf offenen Standards beruhen, alle relevanten Betriebssysteme und alle mobilen Endgeräte und Smartphones unterstützen. Unsere Kunden können auf dieser Plattform eigene mobile Anwendungen entwickeln, die beispielsweise auf der SAP Business Suite aufsetzen. Gleichzeitig werden wir nach und nach all unsere Produkte auf mobilen Geräten verfügbar machen. Zusätzlich werden wir im Bereich Enterprise Information Management die SAP Business Suite und andere Lösungen auf die Datenmanagement-Server von Sybase portieren, sie dafür zertifizieren und optimieren und unseren Kunden auf diese Weise noch mehr Wahlfreiheit geben. Darüber hinaus schaffen wir durch die Zusammenführung der Business-Intelligence-Lösungen von BusinessObjects mit den Datenmanagement-Servern von Sybase die umfassendste Business-Analytics-Infrastruktur in der Industrie. Sie deckt den kompletten Funktionszyklus von der Suche (Enterprise Information Management), über die Speicherung der Daten in Data Warehouses oder Data Marts etc. bis hin zu deren Aufbereitung unter anderem in Form von Queries, Dashboards und OLAP-Tools ab.

silicon.de: Möglicherweise sind die Veränderungen, die durch die noch relativ junge In-Memory-Technologie auf die Anwender zurollen ähnlich tiefgreifend. Was könnte sich dadurch alles ändern?

Snabe: Das Volumen der Unternehmensdaten verdoppelt sich alle 18 Monate. Rechnerleistung und Speicherkapazität wachsen exponentiell und der Echtzeit-Zugriff auf enorme Mengen von Geschäftsdaten wird immer erschwinglicher. Das stellt Unternehmen heute vor gewaltige Herausforderungen und bietet zugleich Chancen. Es wird immer wichtiger, zum richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen zu treffen, um das eigene Geschäft auf aktuelle Marktanforderungen einzustellen. Wer hier schneller die richtigen Entscheidungen trifft, weil er alle relevanten Analysen sofort verfügbar hat, hat die Nase im Wettbewerb vorne.

Hier kommt unsere In-Memory-Technologie ins Spiel. Sie wird eine völlig neue Generation analytischer Anwendungen ermöglichen. Durch Innovationen im Hardwarebereich, beispielsweise bei den Prozessoren, lassen sich mittlerweile die kompletten Datenbestände von Großunternehmen in den Arbeitsspeicher laden. Von dort aus ist der Zugriff auf die Daten um ein Vielfaches schneller als in einer traditionellen relationalen Datenbank oder einem Business Warehouse. Hinzukommt, dass wir in einer In-Memory-Datenbank die Daten nicht mehr in Reihen, sondern spaltenorientiert ablegen, wodurch man nochmals eine Kompression der Datensätze erreicht und deutlich schnelleren Zugriff. All das bringt einen ungeheuren Performanceschub, der in der Konsequenz die Unternehmensdaten in ihrer Gesamtheit für die Analyse zugänglich macht. Was vorher Tage oder auch Wochen dauerte, geschieht nun im Bruchteil einer Sekunde. Das ist eine Revolution und auch nicht auf die Datenanalyse beschränkt. Auch transaktionale Applikationen wie die SAP Business Suite können genau wie analytische Anwendungen auf ein und derselben In-Memory-Datenbank aufsetzen.

silicon.de: Herr Snabe ein letztes Wort: Die Krise scheint fürs erste vorbei zu sein. Was würden Sie heute einem mittelständischen CIO raten?

Snabe: IT kann den Aufschwung fördern oder, wenn sie veraltet ist, auch behindern. Insofern lohnt es sich für Mittelständer zu schauen, wie leistungsfähig ihre Systeme sind und ob sie kurz-, mittel- und langfristig mit den eigenen Wachstumsmöglichkeiten Schritt halten können. Hinzu kommt die immer wichtiger werdende intelligente Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette von Kunden, Partnern und Zulieferern bis hin zum Endverbraucher. Je besser informiert und vernetzt der Mittelständler ist, desto besser kann er seine Wettbewerbsmöglichkeiten nutzen. Das geht aber nicht ohne leistungsfähige IT. Und genau hier hat SAP für Mittelständler aller Größen und Branchen das passende System parat.

silicon.de: Herr Snabe, vielen Dank für das Gespräch.