Die Grenzen des Zahlenfressers

Sie simulieren Nuklearexplosionen, den Klimawandel und schwarze Löcher. Aber beim Standort Stuttgart geraten Supercomputer an ihre Grenzen. Und das ist gut so.

Was für Vorhaltungen dem Schreiber am Wochenende doch wieder gemacht worden sind. “Du Loser!” schalt ihn sein unerbittlichster Kritiker, was man sich bekannter Maßen ja immer selbst ist. Gut, gar so grob hätt’s vielleicht nicht sein müssen. Aber wenn’s doch stimmt!

Da hat man jahrelang über Supercomputer berichtet. Aber bis auf ein paar Nerds mochte sich niemand so recht dafür begeistern. 2008 etwa löste IBMs ‘Roadrunner’ mit seinen 6.000 AMD-Prozessoren und 13.000 Cell-Chips erstmals mehr als eine Billiarde Gleitkomma-Rechnungen in einer Sekunde. Schier unvorstellbar so was! Cray packte daraufhin noch ein paar zehntausend Chips mehr in schwarze Kisten. Und der ‘Jaguar’ schafft seitdem fast 1,8 Petaflops. Und wen interessiert das alles? – Keinen!

Jetzt aber haben sie in China 14.000 Intel- und 7.000 Grafik-Chips zusammengesteckt. Der Rechner, der dabei herausgekommen ist, bringt es auf 2,5 Petaflops – 0,8 mehr als der Jaguar. Die Frage aller Fragen stellt sich einem da doch: Na und? – Aber von wegen! Die Zeitungen sind voll davon, nicht wegen der Floating Point Operations per Second, das verstehen schließlich die wenigsten, sondern wegen der Chinesen.

Da hätte man doch mit ein paar Artikelchen und Radiobeiträgen auf die Schnelle wieder etliche Euros machen können, wenn… ja, wenn man etwas aufgeweckter gewesen wäre, wie der innere Kritiker, der natürlich wie der Schreiber selbst Schwabe ist, vorwurfsvoll anmerkt. Aber jetzt ist’s zu spät. Jetzt kann man sich die Sache nur noch schönreden. Und: Supercomputer sind eigentlich auch gar nicht so toll.

Die simulieren nämlich bloß – und nie was Schönes, zuerst Atombombenexplosionen. Das schaffte der erste Teraflopser, ASCI Red, in den USA. Später simulierte der japanische Earth Simulator, ein Vektorrechner, den Klimawandel. Auch ein eher unerquickliches Thema.

In Deutschland wiederum sind die beiden wichtigsten Supercomputerstandorte Frankfurt am Main und Stuttgart. Frankfurt wegen der Banken. Banker nämlich ziehen vor Anlage-Entscheidungen gerne Supercomputer zu Rate. Und was hat’s genutzt? – Nix! Lausiger als in den vergangenen Jahren hätten sie auch nicht entscheiden können, wenn sie bloß Taschenrechner gehabt hätten. Garbage in, Garbage out, wie’s der Informatiker so treffend formuliert. Und daran ändert sich auch nichts, wenn zwischen In- und Output ein paar hundert CPUs geschaltet sind. Und für Fehler muss man bezahlen, jeder für seine eigenen und alle für die, die auf Chefetagen gemacht werden. Deswegen zahlt das Land jetzt für Staatsschulden, die fast so unvorstellbar hoch sind wie die Leistung eines Number Crunchers.

In der Region um Stuttgart wiederum virtualisieren Zahlenfresser Crash-Tests. Das ist kostengünstiger, als teure Oberklassewagen an harte Betonwände zu klatschen, und entspricht darüber hinaus der Mentalität der dortigen Bevölkerung, der Sparsamkeit die höchste Tugend ist. ´s wär’ halt doch arg schad’ um die scheene Audos. Einen Daimler kann man sich schließlich als Ausweis seiner Schaffigkeit vors Haus stellen. Und Porsches kann man gut an Angeber von auswärts verkaufen und damit den Arbeitsmarkt und wegen der Gewerbesteuer den Kämmerer entlasten.