Fremde Daten für eigene Online-Dienste nutzen?

Um aus der zunehmenden Angebotsflut von Waren und Dienstleistungen das passende herauszupicken, greifen Anbieter-Portale zunehmend zu technischen Hilfsmitteln wie Screen Scraping. Ob sie das dürfen, ist trotz zahlreicher Gerichtsverfahren noch nicht endgültig geklärt.

Rasant wachsende Internetangebote erschweren Marktüberblick

Das Angebot von Waren und Dienstleistungen im Internet wächst rasant. Doch je mehr Angebote im Netz stehen, desto schwieriger wird das Auffinden und die Auswahl des wirklich Passenden. Beispiel Reisemarkt: Immer mehr Fluggesellschaften haben Sonderangebote. Doch wie findet man heraus, ob genau an dem Tag, an dem man fliegen möchte, noch Sonderangebote frei sein? Viele Sonderangebote von so genannten Billigfliegern (Low Cost Carrier), wie Ryanair und easyJet, sind oft nur über deren Webseiten zu buchen. Deshalb nutzen einige Online-Reiseportale Internet Booking Engines, mittels derer auch die Angebote auf den Webseiten relevanter Low Cost Carrier ausgelesen und gebucht werden können (Screen Scraping).

Der Kunde bekommt über die Browseroberfläche des Online-Reiseportals eine Auswahl aller seinen Suchkriterien entsprechenden Angebote – gestaffelt nach Datum und Preis – und kann dann ohne die Webseite der Low Cost Carrier zu besuchen, über die Browseroberfläche des Online-Reiseportals den günstigsten Flug buchen. Doch ist das legal?

Position der deutschen Gerichte zum Screen Scraping durch Internet Booking Engines

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main und das Landgericht Hamburg haben in viel beachteten Verfahren (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 05.03.2009, Az.6 U 221/08; LG Hamburg, Urteil vom 28.05.2009, Az. 3 U 191/08; LG Hamburg, Schluss-Urteil vom 26.02.2010, Az. 310 O 31/09; LG Hamburg, Urteil vom 01.10.2010, Az. 308 O 162/09) über Klagen von Ryanair und easyJet zum Thema Screen Scraping Stellung genommen. Wenn man die Entscheidungsgründe der betreffenden Verfahren näher analysiert, lässt sich Folgendes feststellen:

Die Rechtmäßigkeit von Screen Scraping hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Folgende Erwägungsgründe waren in den vorgenannten Verfahren ausschlaggebend dafür, dass Screen Scraping als rechtmäßig erachtet wurde:

  • Die verwendeten Internet Booking Engines haben stets Realtime nur einzelne Datensätze zu konkreten Flügen abgefragt. Problematisch wäre sicherlich gewesen, wenn die Internet Booking Engines große Datenmengen auf einmal abfragt und im Cache ablegt hätten. Dann wären wesentliche Teile der Datenbank auf einmal abgefragt worden, was dann ein eindeutiger Verstoß gegen § 87b Urheberrechtsgesetz gewesen wäre.

  • Zwar kann auch die wiederholte und systematische Abfrage einzelner Datensätze nach § 87b Urheberrechtsgesetz rechtswidrig sein. Doch setzt dies voraus, dass ein solches Vorgehen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderläuft oder berechtigte Interessen der Fluggesellschaft verletzt. Für beide Voraussetzungen sahen die Gerichte in den genannten Verfahren aber keine Anhaltspunkte.

    Die maßgeblichen Flugpreise werden ohne Abzug an die Fluggesellschaft weitergeleitet.

    Der Nachteil, dass einige Kunden evtl. Zusatzangebote (z.B. Hotel, Mietwagen, Reiseversicherung) der Fluggesellschaft nicht wahrnehmen und kaufen, sei durch den Umstand kompensiert, dass durch das Screen Scraping den Fluggesellschaften auch Kunden zugeführt werden, die auf die Angebote der Fluggesellschaften ansonsten nicht aufmerksam geworden wären. Darüber hinaus gebe es ein Interesse der Verbraucher, in kostengünstiger und zeitsparender Weise die Flugangebote verschiedener Fluggesellschaften vergleichen zu können. Dieses Bedürfnis der Verbraucher würde angesichts der Angebotsvielfalt gegenüber den Marketing- und Absatzinteressen der Fluggesellschaften überwiegen.

  • Bei der Buchung mittels Screen Scraping muss für die Fluggesellschaft erkennbar sein, dass nicht der Betreiber des Online-Reiseportals, sondern der über das Reiseportal buchende Endkunde den Flugbeförderungsvertrag abschließt. Dieser Punkt war nach Auffassung des Landgerichts Hamburg deshalb wichtig, weil sowohl Ryanair, wie auch EasyJet in den Verfahren für sich beanspruchten, Ihre Flüge nur an Endkunden zu verkaufen.

    Würde der Betreiber des Online-Reiseportals den Flugbeförderungsvertrag schließen, um ihn dann an den Fluggast weiter zu verkaufen, bricht er in das Vertriebssystem der Fluggesellschaften gegen deren Willen ein, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH Urteil vom 11.09.2008, Az. I ZR 75/06 – bundesligakarten.de) als “Schleichbezug” wettbewerbswidrig ist. Um für die Fluggesellschaft erkennbar zu machen, dass der Betreiber des Online-Reiseportals den Kauf des Flugplatzes nur vermittelt, muss das IT-System des Portalbetreibers den jeweiligen Endkunden auch als Vertragspartner kenntlich machen. Nach dem Schluss-Urteil des Landgerichts Hamburg (26.02.2010, Az. 310 O 31/09) genügt der Betreiber des Online-Reiseportals diesen Anforderungen dann, wenn er als Kontaktadresse Name und Anschrift des Endkunden übermittelt (beispielsweise im Feld “Reiseanmelder”), der den Sitzplatz bucht und diese Person dann auch als Rechnungsempfänger ausweist (beispielsweise im Feld “Comments”).

  • Das Online-Reiseportal darf die Flüge nicht zusammen mit weiteren Leistungen (Hotels, Mietwagen, Reiseversicherung) zu einem einheitlichen Paket bündeln und dann zu einem einheitlichen Gesamtpreis verkaufen. So hatte es nämlich ein Portalbetreiber gemacht, der sich deshalb in einem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 28.05.2009, Az. 3 U 191/08) verantworten musste. Das Gericht kam in diesem Verfahren zu dem Schluss, dass der Portalbetreiber im Außenverhältnis nicht mehr als Vermittler auftritt und damit den Tatbestand des “Schleichbezugs” erfüllt. Sein Verhalten war daher rechtswidrig.

Fazit und Ausblick

Angesichts der zunehmenden Angebotsvielfalt im Internet gibt es einen zunehmenden Bedarf, das vorhandene Angebot durch technische Hilfsmittel, wie Screen Scraping, auszuwerten. Bislang sprechen die Entscheidungen der deutschen Gerichte dafür, dass Screen Scraping von Webseiten dann rechtmäßig ist, wenn keine berechtigten Interessen der Webseitenbetreiber verletzt werden.
Deshalb bedarf es vor Inbetriebnahme neuer Dienste auch stets einer sorgfältigen Analyse, ob und wie solche Dienste gestaltet sein müssen, damit sie rechtmäßig sind. Abzuwarten bleibt auch, ob Bundesgerichtshof oder Europäischer Gerichtshof die Rechtsauffassung von OLG Frankfurt/Main und LG Hamburg bestätigen. Bislang ist nur eines der vorgenannten Verfahren beim Berufungsgericht anhängig. Alle anderen Entscheidungen sind rechtskräftig und werden nicht mehr bis zum BGH oder EuGH kommen.