Hochrangiges

Was war das eigentlich diese Woche? Nein, nicht wie’s heißt. Das haben ja alle gesagt und geschrieben. IT-Gipfel nennt man’s gemeinhin. Aber was ist das?

Tausend Artikel dazu listet das einschlägige Nachrichtenportal im Web. Aber in keinem steht drin, was jene Frage beantworten könnte. Nur, dass es sich um den fünften derartigen Gipfel handelte und dass er in Dresden stattgefunden hat.

Und am Dienstag heißt es dann noch im Radio, diese Veranstaltung beginne gerade – wie bekannt, in Dresden. Was immer es auch sei. Aber immerhin, es gibt ihn, diesen IT-Gipfel, soviel steht jetzt fest. Denn, was beginnt, muss schließlich existieren.

Man sucht nach Erklärungen. Und davon finden sich einige, benannt jeweils nach den Veranstaltungsorten, diesmal also die Dresdner. Die fängt mit den Worten an: “Die rasante Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien(IKT) eröffnet völlig neue Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft”, was herauszufinden, allerdings keines IT-Gipfels bedurft hätte.

Auch die Erklärungen früherer Jahre tragen wenig zum Verständnis bei. Man soll offenbar auch gar nichts verstehen, sondern Anordnungen ausführen. Im real-sozialistischen Imperativ fordert etwa die Darmstädter Erklärung “In Deutschland die digitale Zukunft gestalten” von 2008: “Begeisterung für IKT wecken”.

Das habe im GEBOCS zu geschehen, heißt es weiter. Ein Beleg dafür, dass sich diese ominösen Gipfel tatsächlich mit IT befassen: GEBOCS ist ein TLA (Two Layer Acronym) und steht für “German eSkills Board of Competence for SMEs”, wobei SMEs wiederum “small and medium enterprises” abkürzt.

Sowas kennt man ansonsten nur von den PR-Abteilungen der Computerkonzerne. POWER heißt IBMs Prozessorarchitektur (Performance Optimization with Enhanced RISC). Und RISC ist die Abkürzung von Reduced Instruction Set Computing.

Aber wozu braucht es einen Gipfel für die IT? Da kann nur die IT selbst weiterhelfen, und zwar die geballte, die von Google. 301.000 Ergebnisse liefert die Suchmaschine seit dieser Woche für das Begriffspaar “IT-Gipfel” und “hochrangig”. Letzteres ist folglich das Attribut, welches das Wesen eines IT-Gipfels ausmacht.

Als Beleg dafür kann Bitkom-Präsident Scheer herhalten, der wichtigste Mann beim Gipfel – nach der noch ranghöheren Bundeskanzlerin. Scheer ist kein gewöhnlicher August-Wilhelm, sondern einer mit Prof. Dr.Dr.h.c.mult. davor – sechs Punkte im Titel. Ein Mann also, imposanter als eine IP-Adresse. Und das “h” steht für honor, Ehre. Klar, dass bei so einer Beteiligung eine Veranstaltung wichtig sein muss, auch wenn sonst niemand etwas Erwähnenswertes zu berichten weiß.

Ausweislich Google sind IT-Gipfel noch höherrangig, als Blondinenwitze blödsinnig sind: Bei der offenkundigen Assoziation degoutanter Scherze und ihrer Qualifizierung wird die Suchmaschine nur 1190 mal fündig.

Und dann gibt einem noch die Sache mit der PR zu denken. PR-Leute verwenden schließlich auch gerne den real-sozialistischen Imperativ. Sowohl Leninisten, als auch PR-Leute haben’s schließlich sehr mit den Massen und wollen sie begeistern, damit sie marschieren, respektive kaufen. Und dazu adressieren sie mit ihren Parolen beziehungsweise Slogans weniger die Großhirne der Massen als deren Hypophysen mit Imperativen wie “Die Ziele des 19. Parteitags durchsetzen” oder “Jetzt das supergünstige Angebot sichern”.

Und wirklich: Google wird fündig. “Der IT-Gipfel ist nichts als PR” überschreibt die Website des ZDF ein Interview mit dem IT-Unternehmer Oliver Ueberholz, einem, der im letzten Jahr zum Gipfel ging und heuer wegblieb. Ja, der gute alte öffentlich-rechtliche Rundfunk! Ein Satz, und man weiß Bescheid.

Und dann hat das ZDF noch eine Infobox auf die Seite gestellt. Darin steht der zweite essentielle Satz: “Der 5. Nationale IT-Gipfel in Dresden ist hochrangig besetzt.” Mehr braucht man darüber wohl wirklich nicht zu wissen.