Olympia 2012: London setzt bei der IT auf Punktlandung

Mit Blick auf die Informationstechnologie hat der Countdown für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London bereits begonnen. Nach Angaben der Verantwortlichen handelt es sich um eines der komplexesten IT-Projekte weltweit.

Das Unternehmen Atos Origin ist der führende Technologiepartner des Olympischen Komitees und trägt damit neben BT, Cisco, Omega, Panasonic, Acer, Samsung und Airwave die Hauptverantwortung für den reibungslosen Ablauf. Im neu eröffneten Technology Lab haben IT-Spezialisten jetzt damit begonnen, alle Systeme genau unter die Lupe zu nehmen.

“Auf virtueller Ebene haben die Olympischen Spiele also bereits begonnen”, erklärte Sebastian Coe, Vorsitzender von London 2012. In der Tat ist das Projektmanagement bei einer derartigen Größenordnung nicht zu unterschätzen. Nicht nur sind für London 2012 insgesamt eine halbe Million Programmierzeilen an Code geschrieben worden. Der Event ist mit Blick auf die IT generell ungefähr zehnmal größer als eine Fußball-Weltmeisterschaft.

Rund 200.000 Stunden an intensiven Tests von Hard- und Software stehen nun bevor, einschließlich aller denk- und undenkbaren Szenarien. So gab es während den letzten Olympischen Spielen in China etwa rund zwölf Millionen Sicherheitsmeldungen im System zu bewältigen, denen die Spezialisten nachgingen. Das Wort Systemausfall oder technische Verzögerung ist für die Organisatoren dabei eine Art Unwort des Jahres.

Von Seiten des Projektmanagements liegen – ähnlich unverrückbar wie die Rocky Mountains in den USA – laut Atos Origin insgesamt 504 zeitliche Meilensteine im Plansoll. “Zeitliche Verzögerungen können wir uns nicht leisten, wir müssen auf den Punkt genau fit sein”, sagt Patrick Adiba, Executive Vice President, Olympic Games and Major Events beim leitenden Technologiespezialisten Atos Origin.

Was aber passiert, wenn ein wichtiger Mitarbeiter plötzlich im Bus stecken bleibt oder wenn es gar zu einem Erdbeben oder zu sozialen Unruhen käme? Derartige Fragen stehen in der Szenario-Analyse beziehungsweise Notfallplanung ebenso im Raum wie das kleine und manchmal sensible technische Detail. Immer wieder heißt es dabei, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Denn schon einmal lag ein nicht direkt vorhersehbarer Fehler bei Olympischen Spielen darin, dass das IT-System während der Spiele nicht darauf vorbereitet war, zwei Goldmedaillengewinner gleichzeitig auszuweisen. Zudem können sich auch unter den Technologiepartnern zumindest kleinere Interessenkonflikte ergeben. So verzichtete Atos Origin in Peking etwa auf Windows Vista als Betriebssystem – und votierte, nicht unbedingt zur Freude der Marketingspezialisten von Microsoft, für die systemstabilere Version XP.

Das Zauberwort für die Informationsarchitekten lautet: Jede erdenkliche Information muss zielgruppenspezifisch “just in time” bereitstehen, also sofort und bequem über jedes Endgerät von PC über Laptop bis zum Smartphone abrufbar sein. Zu den zentralen Anwendungen gehört ein Internetportal, um insgesamt 70.000 freiwillige Helfer anzuheuern, die ihren Platz unter anderem in der IT-Infrastruktur finden.

Darüber hinaus stellt Atos Origin mehrere Softwaresysteme bereit, um die Ergebnisse exakt zu übermitteln, das heißt nach offizieller Lesart genau binnen einer Drittelsekunde. Auch dies ist keine ganz leichte Aufgabe, akkreditieren sich doch immerhin 200.000 Mitarbeiter beziehungsweise Sportler, die mit einer jeweils personalisierbaren Informationsarchitektur versorgt werden möchten.

Kaum zu übersehen ist, dass der Sicherheitsaspekt gerade in der unübersichtlichen Weltmetropole London eine deutlich größere Rolle spielt als etwa bei den Winterspielen im kanadischen Vancouver. So dient die Akkreditierung Sportlern, Medienleuten, Sponsoren und Funktionären auch gleichzeitig als Einreisevisum.

Was die technische Ausstattung angeht, so verwaltet Atos Origin 9500 Computer, 900 Server, einschließlich der dazu gehörigen rund 1000 Netzwerk- und Sicherheitskomponenten. Zu den Kernsystemen, die die Spezialisten fortan bis zum Beginn auf Herz und Nieren prüfen, gehören ‘myInfo+’ und das Kommentatoren-Informationssystem (CIS).

Die Plattform myInfo+ stellt für London 2012 ein Novum dar. Die Internetanwendung bietet akkreditierten Medienvertretern, Sportfunktionären und Sportlern einen freien und individuell konfigurierbaren Zugang zu allen verfügbaren Informationen, wie Wettkampfpläne, Medaillentabellen, Verkehrsnachrichten oder Rekorde. Ergebnisse und Berichte lassen sich so bequem als Lesezeichen speichern, Hyperlinks ermöglichen eine einfache Navigation zu anderen Internetseiten, etwa zum Internationalen Olympischen Komitee oder zur allgemeinen Infoseite von London 2012.

Das Kommentatoren-Informationssystem wiederum transferiert die Ergebnisse auf Touchscreen-PCs an den Übertragungsorten. Die Sendestationen aus aller Welt erhalten so die Ergebnisse, längst bevor der Fernsehzuschauer oder Stadionbesucher vor Ort den Athleten applaudieren kann. Die Testphase aller Systeme dauert nun exakt 18 Monate bis zum Startschuss der Spiele am 27. Juli 2012. Bis dahin gilt es, jedes noch so unscheinbare Detail penibel genau mit den relevanten Sportgremien und -verbänden abzugleichen.