Arbeitshilfen für die EVB-IT Systemlieferung

Im vergangenen Jahr wurde der lange erwartete EVB-IT Systemlieferungsvertrag veröffentlicht. Mit diesem Mustervertrag soll seitdem die öffentliche Hand ganze IT-Systeme beschaffen. Wegen seiner Komplexität leidet er, ebenso wie einige ältere EVB-IT Vertragstypen, unter Akzeptanzproblemen. Seit wenigen Tagen stehen für diesen Vertragstyp neue Arbeitshilfen zum Abruf auf der Internetseite des “Bundes-CIO” bereit, die Beschaffer und Anbieter bei der Anwendung unterstützen sollen.

Der EVB-IT Systemlieferungsvertrag ist wie die anderen EVB-IT Verträge ein Mustervertrag für die Beschaffung von IT-Leistungen, der von der öffentlichen Hand unter Leitung des Bundesinnenministeriums in Abstimmung mit dem IT-Branchenverband Bitkom formuliert wurde. Die Vertragsmuster sind für die Bundesbehörden bei der Beschaffung von IT-Leistungen verbindlich. Auch Länder und Kommunen wenden die Regelungen überwiegend an. Die Regelungen der EVB-IT haben daneben auch Einfluss auf IT-Verträge in der Privatwirtschaft. Angesichts der Summen, welche die öffentliche Hand in IT investiert, kommt diesen Einkaufsbedingungen eine erhebliche Bedeutung zu.

Bei dem EVB-IT Systemlieferungsvertrag handelt es sich um den kleinen Bruder des EVB-IT Systemvertrages. Vor allem letzterer gilt als äußerst komplex und wird daher besonders kritisch gesehen und nur sehr zurückhaltend verwendet. Auf die Veröffentlichung des EVB-IT Systemlieferungsvertrages hatte die Branche daher beinahe sehnsüchtig gewartet.

Gegenstand des EVB-IT Systemlieferungsvertrages ist typischerweise die Lieferung eines IT-Systems, das aus Hardware und Standardsoftware besteht und, anders als bei dem EVB-IT Systemvertrag, nur in geringem Umfang mit Anpassungsleistungen (z.B. Installation von Hard- und Software, Konfiguration, Herbeiführung der Betriebsbereitschaft) oder sonstigen ergänzenden Leistungen (z.B. Schulung, Einführungsunterstützung) beschafft werden soll.

Zwar ist der EVB-IT Systemlieferungsvertrag etwas weniger komplex als sein großer Bruder geraten, auch dessen Handhabung bedarf jedoch einiger Erfahrung, um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Nach über einem Jahr Praxistest hat Cornelia Rogall-Grothe, die IT-Beauftragte der Bundesregierung, am 27. Mai 2011 neue Arbeitshilfen zum Abruf zur Verfügung gestellt. Bei den Arbeitshilfen handelt es sich um so genannte Nutzerhinweise, welche um ein ausgefülltes Vertragsmuster ergänzt werden. Die Nutzerhinweise erläutern die einzelnen Bestimmungen des Systemlieferungsvertrages und geben darüber hinaus Tipps für die Praxis.

Das ausgefüllte Vertragsmuster bildet eine für den Anwendungsbereich der EVB-IT Systemlieferung typische Beschaffungssituation ab. Erstmals wurde auch ein Musterpreisblatt erstellt und die für die EVB-IT Systemlieferung neu eingeführte Nutzungsrechtsmatrizen für die Standardsoftware des Systems beispielhaft ausgefüllt. Abrufen können Sie die Nutzerhinweise ebenso wie alle EVB-IT Vertragstypen auf der Internetseite des “Bundes-CIO“.

Die EVB-IT Systemlieferung sind von hoher Relevanz für die Praxis, da sie immer dann anwendbar sind, wenn IT-Standardsysteme mit nur geringem Anpassungsbedarf beschafft werden sollen. Für die Erstellung von Individualsoftware oder für komplexe IT-Projekte sollen weiter die EVB-IT System gelten.

Hinsichtlich Gewährleistung und Haftung enthalten die EVB-IT Systemlieferung ein detailliertes rechtliches Konzept, das von den gesetzlichen Regelungen abweicht. So enthält der Systemlieferungsvertrag eine standardmäßige Gesamthaftungsbegrenzung, in erster Linie jedoch nur für leicht fahrlässiges Verschulden. Die in dem Mustervertrag vorgesehen Haftungsbegrenzungen werden in der Praxis häufig jedoch so nicht akzeptiert, da der Auftragnehmer ein wirtschaftliches Bedürfnis hat, seine Haftung möglichst weitgehend zu begrenzen. Gerade bei kleineren Aufträgen kann es vorkommen, dass der Auftragnehmer nach dem EVB-IT Systemlieferungsvertrag mit einem Mehrfachen des Auftragsvolumens schon bei einfacher Fahrlässigkeit ins Risiko geht. Bei grober Fahrlässigkeit gibt es allein für entgangenen Gewinn eine Haftungsgrenze, im Übrigen ist die Haftung völlig unbegrenzt.

Wie sich die EVB-IT Systemlieferung letztlich in Vergabeverfahren bewähren werden, muss sich erst noch zeigen. Das 26 Seiten lange Vertragsformular sowie die nur schwer auszufüllende Nutzungsrechtematrix lassen jedoch befürchten, dass sowohl Beschaffer als auch Bieter leicht einen formalen Fehler begehen können, der dann zur Angreifbarkeit des Vergabeverfahrens führen kann. Es gilt daher wegen der strikten vergaberechtlichen Vorschriften aus Sicht des Bieters, Fehler oder Unklarheiten in den Ausschreibungsunterlagen unverzüglich zu rügen.

Die Anwendung der EVB-IT Systemlieferung bedarf jedoch einiger Erfahrung, da das Vertragsmuster verschiedenste Optionen zum Ankreuzen und Ausfüllen vorsieht. Es bleibt abzuwarten, ob die fast 100 Seiten Nutzerhinweise hier einen positiven Beitrag zur Vereinfachung leisten. Erfreulich ist aber sicherlich, dass eine solche Arbeitshilfe nunmehr für Beschaffer und Anbieter zur Verfügung steht.