Will Microsoft mit Office 365 zu viel?

CEO Steve Ballmer höchst persönlich hat das neue Online-Office vorgestellt, mit dem Microsoft auf kleine und mittelständische Kunden genau so zielt wie auf die Konkurrenz von Google Apps. Doch macht Office 365 das Arbeits-Leben wirklich leichter und einfacher?

Microsoft setzt rund 21 Milliarden Dollar mit Office um und ist damit eines der wichtigsten Standbeine des Unternehmens. Dennoch operiert Microsoft hier in einem hochgradig gesättigten Markt, in dem die Neukundengewinnung eine der größten Herausforderungen darstellt.

Jetzt versucht Microsoft mit Web-Funktionalitäten für Desktop- und Server-Produkte den Markt für Office zu erweitern und zwar vor allem in Richtung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mit einem Exchange E-Mail-Server und der Lync-Online-Communications-Technologie will Microsoft nun auch die Unternehmen erreichen, in denen es keine eigene IT-Abteilung gibt.

Zusammen mit 20 Telekommunikationsanbietern hat Microsoft jetzt entsprechende Angebote geschnürt, um diese dann in 40 Ländern an mittelständische Unternehmen vertreiben zu können.

“Mit Office 365 können die Menschen über Instant Messaging in Verbindung bleiben”, erklärte Steve Ballmer bei der Vorstellung des Produktes. “Mit Office 365 können Menschen auch simultan an Ordnern und Dokumenten arbeiten.” In diesem Produkt würden Office und Cloud zusammentreffen. So können Anwender nicht nur PowerPoint-Präsentationen teilen, sondern diese auch über einen Browser auf einem Mobiltelefon aktualisieren. In einer E-Mail sieht man, welche Empfänger online sind und kann diese dann gleich zu einer Video-Konferenz einladen. Im Vergleich zur Vorgängerversion, der Business Productivity Online Suite, soll das neue Office 365 eine einfachere Oberfläche besitzen und auch intuitiver zu bedienen sein.

Steve Ballmer stellt Office 365 vor. Quelle: CNET
Steve Ballmer stellt Office 365 vor. Quelle: CNET

Mit Office 365 muss sich Microsoft auch gegen die derzeit noch deutlich kleinere Konkurrenz von Google Apps durchsetzen (im Vergleich zum klassischen Office). Doch Google gewinnt ständig neue Kunden hinzu. Dazu mag vielleicht auch das einfache Preismodell des Dienstes beitragen. Microsoft hingegen wagt ein komplexeres Lizenzmodell: Basis-E-Mail-Funktion etwa gibt es ab 1,79 Euro pro Nutzer und pro Monat. Für Unternehmen gibt es Office Professional Plus Desktop Software für 22,75 Euro pro Benutzer und pro Monat. Das mag zwar auch der Tatsache geschuldet sein, dass Office 365 deutlich mehr Funktionen und Module bietet wie das Angebot von Google, verschreckt aber vielleicht auch den einen oder anderen Kunden, der neben einfachen Funktionalitäten eben auch ein einfaches oder gar kostenloses Lizenzmodell vorzieht.

Microsoft muss auch aus einem anderen Grund ein komplexeres Preismodell verlangen, denn das Unternehmen muss sich davor schützen, sich mit Office 365 den Umsatz der eigenen On-Premis-Version abzugraben. Doch diese Gefahr sieht man bei Microsoft nicht, wie Kurt DelBene, President von Microsofts Office-Abteilung erklärt: “Wir haben Angebote geschaffen, die sehr spezifisch sind und die Bedürfnisse von Kunden unterschiedlicher Größe treffen.” Dennoch habe Microsoft versucht, vor allem die Perspektive des Anwenders einzunehmen.

Laut DelBene zielt Office 365 aber in erster Linie darauf ab, Funktionalitäten, die man eher in großen Unternehmen findet, auch kleineren verfügbar zu machen, denn im Grunde hätten große wie kleine Anwender die gleichen Bedürfnisse. Calendering, E-Mail, Collaboration und nicht zuletzt Unified Communication spielten auch bei kleineren Unternehmen eine große Rolle.

Mit Häme bedenkt der Konkurrent Google das Microsoft-Angebot: “Man kann nicht einfach eine Legacy-Desktop-Anwendung nehmen, Teile davon in ein Datenzentrum stellen und dann Cloud dazu sagen.” Google Apps hingegen, so der Google Product Manager Shan Sinha in einem Blog seien tatsächlich echte Web-Anwendungen. Das mag auf den ersten Blick nicht nur markig, sondern auch sinnig klingen. Und doch geht es an der Realität vorbei, denn die beiden Produkte lassen sich trotz einiger Überlappungen nur bedingt mit einander vergleichen und haben offenbar auch unterschiedliche Zielgruppen.