Konsequenzen des ICT-Fachkräftemangels

Kaum haben wir wieder ein Jahr Wirtschaftsaufschwung, so werden die Arbeitskräfte knapp (und teuer). Der Markt für Mitarbeiter im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) scheint hiervon besonders stark betroffen zu sein. Was sind die Konsequenzen, Gefahren und Risiken – insbesondere aber auch Lösungsansätze – daraus? Ein Artikel von Andreas Zilch, Vorstand der Experton Group.

Fehlende Ressourcen in Projekten und Betrieb

Es zeigt sich zunehmend, dass gerade die erfolgskritischen Skills in Projekten rar werden, dabei insbesondere qualifizierte Projekt- und Portfolio-Manager, Architekten für die Integration neuer Technologien in bestehende Infrastrukturen und verschiedene Spezialisten. Das Hauptproblem dabei ist, dass die fehlenden Ressourcen an bestimmten Positionen den gesamten Projekterfolg gefährden können und nicht-qualifizierter Ersatz das Problem eher verschlimmert. Insgesamt werden wichtige Projekte zumindest verzögert, was einen negativen Einfluss auf das gesamte Projekt-Portfolio hat. Die etwa 10 bis 15 Prozent wirklich erfolgskritischen Positionen für ein Projekt müssen also sehr sorgfältig und nachhaltig besetzt werden.

Ebenso sind im Betrieb wichtige Positionen nur noch schwer zu besetzen, dies gilt insbesondere für Spezialisten in bestimmten Infrastruktur- und Applikationsbereichen. Dies kann in den meisten Fällen kurzfristig überbrückt werden, muss aber langfristig auch adressiert werden.

Sprengung des Gehaltsgefüges

Das Gehaltsniveau hat sich in den letzten 12 Monaten im ICT-Bereich sehr stürmisch entwickelt. Für gesuchte Positionen und Spezialisten beträgt die Steigerung des “Wunschgehaltes” 30 bis 40 Prozent. Dies ist in einem normalen Gehaltsgefüge einer IT-Abteilung nicht abbildbar und bedeutet, dass ausgeschriebene Stellen zu einem aus Sicht des Arbeitgebers realistischen Gehalt nicht oder nur unzureichend besetzt werden können. Gerade größere Unternehmen haben hier klare Richtlinien, die nicht unterlaufen werden sollen und können.

Lösungsansätze

Es gibt verschiedene Ansätze, wie den o.a. Herausforderungen begegnet werden kann, aber leider kein Allheilmittel. Wichtig ist insbesondere auch die enge Zusammenarbeit von IT-Abteilung und dem Personalwesen, an der es in der Praxis oft mangelt.

Monetäre Motivation

Ein nicht in den Rahmen passendes Festgehalt zu akzeptieren kann nur eine absolute Notlösung sein und muss zumindest mittelfristig “korrigiert” werden – im Ergebnis wird man sich von dem Mitarbeiter bei nächstmöglicher Gelegenheit wieder trennen müssen. Der einzig gangbare Weg führt über den variablen Gehaltsanteil, hier hat man im Allgemeinen mehr Freiheitsgrade, bzw. man muss diese kurzfristig realisieren. Ein variabler Gehaltsanteil in der Größenordnung von 20 bis 50 Prozent ist bei IT-Dienstleistern durchaus üblich und erklärt zum Teil die hohen Zielgehälter. Auch eine Art (garantierter) “Sonderbonus” für einen festgelegten Zeitraum kann eine Maßnahme für eine Übergangszeit sein. Während dieser Übergangszeit kann der neue Mitarbeiter intensiv geprüft werden und bei Eignung durch “nicht-monetäre” Leistungen an das Unternehmen gebunden werden.

Nicht-monetäre Motivation

Die “nicht-monetären” Leistungen sind aus Sicht der Experton Group eine wichtige Komponente – allerdings in den meisten Fällen mehr zur Mitarbeiterbindung, denn zur Mitarbeitergewinnung.

Aber auch bei Werbung neuer qualifizierter Mitarbeiter für den IT-Bereich gibt es einige wichtige Aspekte:

  • Das positive Image des Gesamtunternehmens
  • Das positive Image der ICT-Abteilung
  • Ein attraktiver Arbeitsplatz

Das positive Image des Gesamtunternehmens ist in den meisten Fällen (leider) kaum durch den ICT-Bereich zu beeinflussen, wohl aber die Darstellung und das Image der eigenen Abteilung. Mitarbeiter möchten in einer Abteilung arbeiten, deren Leistungen und Wert für das Unternehmen intern und extern anerkannt werden. Leider haben viele Bewerber aus der beruflichen Vergangenheit hier negative Erfahrungen – die IT-Abteilung als reiner Kostenverursacher und “Schuldiger” für jegliche technische Ausfälle und verspätete Projekte.

Aber es gibt auch außerordentlich positive Beispiele – an dieser Stelle seien nur die Unternehmen BSH (mit dem Thema Green IT / Nachhaltigkeit) und Hilti (Client of the Future / Bring your own Client) genannt. Beide Unternehmens-CIOs haben den Grundsatz “Tue Gutes und sprich darüber” beherzigt und mit guter Kommunikation der IT-Abteilung ein positives Image verschafft, was auch für potentielle Bewerber durchaus attraktiv ist.

Ein attraktiver, innovativer Arbeitsplatz ist auch ein Merkmal, welches die IT-Abteilung positiv beeinflussen kann. Neben interessanten und zukunftsweisenden Projekten spielt dabei auch die oft unterschätzte “technologische” Attraktivität des Arbeitsplatzes eine Rolle. Wer 10 bis 12 Stunden pro Tag für das Unternehmen arbeiten möchte, erwartet keine veraltete Ausstattung und Einschränkungen beim Zugriff auf Ressourcen (auch wenn dies “Social Networks” sind). Gerade in diesem Bereich gibt es erhebliche Unterschiede in der Einstellung und der Umsetzung der Unternehmen, daher kann im positiven Fall auch eine deutliche Differenzierung bei der Wahl potenzieller Arbeitgeber erreicht werden.

Konsequente Aus- und Weiterbildung

Die Rekrutierung neuer Mitarbeiter kann nur ein Baustein in einem Gesamt-Personalkonzept für den ICT-Bereich sein. Wichtig ist auch hier eine enge Abstimmung mit der Personalabteilung – die u.a. zu der Erkenntnis führen muss, dass dieser Bereich “etwas Besonderes” ist, der auch spezielle Maßnahmen und Programme braucht. Dazu gehören auch Aus- und Weiterbildungskonzepte, die dem sehr schnellen Technologiewandel und damit dem Bedarf an “neuem Wissen” für die Mitarbeiter Rechnung tragen. Dies ist gut für das Unternehmen, aber auch für die (richtigen und wichtigen) Mitarbeiter eine nicht zu unterschätzende Motivation.