Google kauft Microsoft Motorola-Patente weg

Für 12,5 Milliarden Dollar will Google die Handysparte von Motorola übernehmen. Offenbar war auch Microsoft an dem geistigen Eigentum des Mobilfunkspezialisten interessiert.

Die Aufsichtsräte beider Firmen haben dem Geschäft bereits zugestimmt. Dabei scheint es Google jedoch nur bedingt um den Zugriff auf einen Hardware-Hersteller zu gehen, wie Google-CEO Larry Page in einem Blog erklärt: “Die Übernahme von Motorola wird Googles Wettbewerbsposition mit einem verstärkten Patentportfolio ausbauen und uns vor wettbewerbsfeindlichen Angriffen auf die Android-Plattform von Microsoft, Apple und anderen Firmen besser schützen.”

Durch die Übernahme werde sich laut Google aber nichts an den Geschäftsbeziehungen zu den anderen Android-Partnern wie HTC und Samsung ändern. Google will Motorola als eigenständiges Unternehmen führen, das wie bisher Lizenznehmer von Android bleibt werde.

Googles Hardware-Partner bekommen auf diese Weise einen besonderen Konkurrenten für die Boom-Sparte Android. Motorola könnte vor anderen Zugriff auf neue Entwicklungen des mobilen Betriebssystems bekommen und damit womöglich Wettbewerbsvorteile erringen.

Auf der anderen Seite wächst dadurch die rechtliche Sicherheit für die Hersteller, wie zum Beispiel der President von Samsung Mobile, J.K. Shin erklärt: “Wir begrüßen diese Nachricht, die Googles Entschlossenheit deutlich macht, die Android-Plattform, die Partner und das gesamte Eco-System zu verteidigen.” Ähnlich äußern sich auch der HTC-CEO Peter Chou, der Sony-Ericcson-CEO Bert Nordberg und Jong-Seok Park President & CEO, LG Electronics Mobile. Dennoch wird diese Übernahme auch für die Google-Konkurrenten nicht ohne Folgen bleiben.

Google muss nun alles daran setzen, durch die Übernahme das Partner-Netzwerk nicht zu verprellen. Denn nichts würde Android als Plattform derart schwächen, wie ein Fragmentierung dieses Ökosystems.

Auch der Gartner-Analyst Matthew Davis setzt sich in einem Blog mit den Folgen für die Branche auseinander. Es sei ein vergleichsweiese komplexes Umfeld, denn einstige Partner sehen sich jetzt als Konkurrenten gegenüber. Er sieht in dieser Übernahme die inzwischen zu einem Trend gewordene Strategie des Original Solutions Orchestrator (OSO) umgesetzt.

Zwar werde die Bereitstellung von Software und Services immer wichtiger, doch will Google offenbar nicht darauf verzichten, mit einer Hardware-Abteilung die gesamte Lieferkette, die Digital Supply Chain abdecken zu können. “Die Übernahme von Motorola wird dieses OSO-Modell mit der Erweiterung der physischen Lieferkette mit der Distribution von mobilen Geräten erweitern”, so Davis.

Die Vorteile des Geschäftsmodell des Original Solutions Orchestrater. Quelle: Gartner
Die Vorteile des Geschäftsmodell des Original Solutions Orchestrater. Quelle: Gartner

Andere Analysten sehen in der Hardware-Seite weniger Gewicht. George Mironescu, Analyst bei PAC, etwa erklärt: “Patente sind ein wichtiger Bestandteil dieser Entscheidung (Motorola hat viele Tausende). Google versucht schon länger, das Portfolio bei kabellosen Patenten und Telekommunikations-Patenten aufzurüsten. Vor allem nachdem das Unternehmen jüngst bei Nortels Networks Patent-Warenhaus von dem Apple-geführten Konsortium – zu dem auch Microsoft und Oracle gehören – überboten wurde.” Zudem soll Google auch für das umfassende Mobil-Portfolio von InterDigital ein Gebot vorbereitet haben.

Andere gehen hier noch weiter, wie etwa Mayuresh Masurekar, Analyst bei Collins Stewart, der vorrechnet, dass der Wert der Hardware-Sparte in diesem Fall gegen Null gehe. So seien für Nortels Patent-Portfolio 4,5 Milliarden bezahlt worden. Motorola besitzt 17.000 Patente und 7500 Anträge, also rund drei Mal so viel wie Nortel und damit entspreche auch der Preis von 12,5 Milliarden etwa dem Dreifachen des Nortel-Portfolios. “Google hat also den Marktpreis für die Patente bezahlt und den Herstellungsbereich mehr oder weniger umsonst bekommen”, erklärt Masurekar in einer Mitteilung.

Der Branchendienst Gigaom berichtet hingegen unter Berufung auf mit den Verhandlungen vertraute Personen, dass neben anderen Unternehmen auch Microsoft unter den Interessenten für die Motorola-Sparte waren. Hätte Microsoft den Zuschlag bekommen, hätte Google mit Android kaum mehr eine Chance gehabt. Daher sei Google kaum eine andere Wahl gebliegen, als bei dem Motorola-Verkauf zuzuschlagen. Vor etwa fünf Wochen seien die ersten Gespräche auf allerhöchste Ebene geführt worden. Android-‘Gründer’ Andy Rubin, sei erst in der Schlussphase der Verhandlung mit einbezogen worden, wie berichtet wird.

“Trotz des gescheiterten ‘Nexus One’-Experiments, glaubt Google offenbar, dass es, um wirklich mit Apple und Microsoft mithalten zu können, Phones und Tablets im eigenen Portfolio braucht”, resümiert Mironescu und erhält in diesem Punkt auch Zustimmung von dem Forrester-Analysten John Mccarthy, der die “integrierte Hardware/Software” ebenfalls als wichtigen Punkt in dieser Übernahme ansieht.

Damit bekommen die bestehenden integrierten Plattformen Apple/iOS, HP/WebOS, RIM/QNX mit Google/Motorola einen vierten Mitspieler. “Und möglicherweise noch einen fünften”, erklärt Mccarthy. Das wäre dann der Fall, “wenn dieser Deal Microsoft bestärkt, die seit langem kolportierte vollständige Übernahme von Nokia durchzuführen.”

Aber was bekommt Google noch fürs Geld? Zum Beispiel 19.000 neue Mitarbeiter, was einem Wachstum von 66 Prozent des Personals bei Google entspricht. Motorola hat im zweiten Quartal 4,4 Millionen Smartphones und 6,6 Millionen Feature Phones verkauft. Der Kurs der Motorola-Aktie, für die Google 63 Prozent mehr bezahlt hat, schnellte zwischenzeitlich auf die Nachricht der Übernahme um 56 Prozent nach oben.