Der CIO als Außenpolitiker

Im Gespräch mit silicon.de beschreibt Dr. Dietmar Schlößer, CIO bei Deloitte Deutschland, seine Mittlerrolle zwischen dem “Global CIO Council” des weltweiten Deloitte-Verbundes und den Anforderungen aus der deutschen Deloitte. Die Aufgabe des “Connected CIO” sei es, Verantwortung und Führung zu übernehmen und für seine Strategie zu überzeugen.

Dr. Dietmar Schlößer, CIO bei Deloitte Deutschland
Dr. Dietmar Schlößer, CIO bei Deloitte Deutschland

silicon.de: Sagt Ihnen der Begriff ‘Connected CIO’ etwas? Ich bin mir nicht sicher, ob das in Deutschland angekommen ist…

Dr. Dietmar Schlößer: Zwar habe ich das schon einmal gehört, aber ich teile Ihre Vorsicht. Wenn ein Begriff auftaucht, heißt das noch lange nicht, dass alle dasselbe Verständnis davon haben. Im deutschen Sprachraum spielt der Begriff meiner Meinung nach bisher keine Rolle.

silicon.de: In den USA scheint ‘Connected CIO’ insbesondere in der Vorstellung von Analysten und Marketingexperten zu existieren. Trotzdem ist es interessant zu diskutieren, wie CIOs in die internen Entscheidungsprozesse eines Unternehmens eingebunden sind. Meine erste Frage ist in erster Linie, wie CIOs untereinander vernetzt sind und wie sie kommunizieren…

Dr. Dietmar Schlößer: Kommunikation zwischen CIOs hat für mich zwei unterschiedliche Aspekte. Einmal habe ich innerhalb der Deloitte-Welt Kollegen die auch CIOs sind. Deloitte ist als Verbund von Mitgliedsfirmen aufgestellt und diese Firmen sind relativ unabhängig. Insofern hat jede größere Mitgliedsfirma auch einen CIO. Wir tauschen uns regelmäßig und sehr intensiv aus. Außerhalb der Deloitte-Welt spreche ich natürlich auch mit CIOs anderer Unternehmen.

silicon.de: Spannender ist für mich zunächst die Kommunikation der CIOs innerhalb des Deloitte-Verbundes. Können Sie mir eine Idee geben, wie Sie miteinander kommunizieren? Haben Sie regelmäßige Konferenzen? Chatten Sie oder gibt es Konferenzen mit Video? Tauschen Sie sich über Social Media – vielleicht Facebook – aus?

Dr. Dietmar Schlößer: Wir haben bei Deloitte regelmäßige Treffen innerhalb des “Global CIO Council”. In diesem Council bin ich der Vertreter der deutschen Firma. Was uns dabei von anderen CIO-Konferenzen – beispielsweise von weltweit tätigen Konzernen – unterscheidet, ist, dass wir in diesem Gremium keine festgelegten Berichtslinien haben. Es gibt keine “Bereichs-CIOs” die an “Gesamt- CIOs” berichten. Es herrscht Konsensprinzip und jeder Vertreter kann sich stark mit seiner eigenen Einschätzung einbringen. Im Umkehrschluss erfordert das Gremium natürlich einen starken Abstimmungsbedarf untereinander.

silicon.de: Wie viele CIOs kommen in dem Gremium zusammen?

Dr. Dietmar Schlößer: Das Council besteht aus 25 Leuten. Das sind die Vertreter der 20 größten Mitgliedsfirmen, ergänzt um das Führungsteam der zentralen IT-Organisation. Neben den drei Präsenztreffen haben wir monatliche Telefonkonferenzen. Videokonferenzen sind bei so vielen Teilnehmern nicht unbedingt von Vorteil. Diese werden eher von kleineren Unterteams eingesetzt, die ihre Ziele und Vorstellungen dann beim Council präsentieren. Mit der Zeit ist aus dem Gremium der weltweit verteilten CIOs eine Gruppe geworden, die gut funktioniert und eng zusammen arbeitet. Konsensprinzip wirkt auf viele Leute abschreckend – aber ich habe festgestellt, dass es funktioniert.

silicon.de: Kommunizieren CIOs anders miteinander als mit den anderen Kollegen?

Dr. Dietmar Schlößer: Das liegt in der Natur der Sache, weil wir alle die gleiche Rolle im jeweiligen Unternehmen einnehmen. Das verbindet auch über die Landesgrenzen hinweg. Da gibt es mehr Gemeinsamkeiten als mit anderen Mitarbeitern oder Partnern im Unternehmen.

Die Tools, die wir nutzen, stehen allen unseren Mitarbeitern zur Verfügung. Wir versuchen als CIO bei dem Nutzen dieser neuen Werkzeuge natürlich mit gutem Beispiel voran zu gehen. Schließlich haben wir diese Mittel ausgesucht.

silicon.de: Wie verändert sich die Rolle der IT-Verantwortlichen – aus der Sicht der IT-Verantwortlichen?

Dr. Dietmar Schlößer: Natürlich diskutieren wir unterschiedliche Rollenmodelle. Peter Weill vom MIT unterscheidet neben dem klassischen ‘Services CIO’ drei Rollen: den ‘Embedded CIO’, den ‘Portfolio CIO’ und den ‘Customer CIO’. Die ‘Connected’-Rolle, die Sie angesprochen haben, kann man auf alle drei Rollen anwenden. Ich beziehe sie auf die strategische ’embedded’-Rolle – was konkret bedeutet, dass sich der Fokus des klassischen IT-Leiters ändert.

Sehen Sie – bisher hat ein IT-Leiter immer IT-Dienstleistungen erbracht. In Zukunft verbringt er die meiste Zeit damit, mit den Entscheidungsträgern im Unternehmen zu kommunizieren. Und zwar sowohl national wie auch international. Das ist für mich der ‘Connected CIO’. Die neue zentrale Aufgabe eines CIOs ist in meinem Verständnis die Kommunikation mit den Verantwortlichen aus den einzelnen Geschäftsbereichen. Die Abstimmung der CIOs untereinander dagegen ist schon immer wichtig.

silicon.de: Sehen Sie sich als Mittelsmann zwischen dem, was Ihre Kollegen in Deutschland fordern und der Vertretung dieser Interessen in einem internationalen Gremium?

Dr. Dietmar Schlößer: Ich sehe das als das klassische Demand-Supply-Bild. Was die Diskussionen in der deutschen Deloitte intern angeht – da geht es um die konkreten Anforderungen. Die Gespräche mit den anderen CIOs betreffen mehr die Lieferseite. Wie erbringen wir – also die CIOs – die Leistungen, die bei uns angefragt wurden.

silicon.de: Aber die Prioritäten sind sicherlich von Land zu Land verschieden – welche kulturellen oder rechtlichen Hindernisse gibt es, die sie mit ihren CIO-Kollegen diskutieren?

Dr. Dietmar Schlößer: Warum sollte ein Berater in den USA fundamental anders arbeiten als in Europa oder Südamerika? Die Geschäftsmodelle sind ähnlich – und deshalb auch die IT-Systeme, mit denen die Berater arbeiten. Es kann allerdings sein, dass ein Berater auf Grund von Rahmenbedingungen das ein oder andere Werkzeug in veränderter Form benötigt. Denken Sie etwa an den Datenschutz – da gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Ländern.

Es ist also eine Balance. Auf der einen Seite stehen die gemeinsamen Methoden und Lösungen mit denen wir weltweit arbeiten. Auf der anderen Seite bilden wir die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Landesfirma korrekt ab. In diesem Spannungsfeld bewege ich mich. Aufgabe ist es innerhalb des Council einen sinnvollen, gemeinsamen Weg zu finden. Und dann weltweite und nationale IT-Strategie aneinander anpassen.

silicon.de: Da geht es um das Thema Eigeninteresse einer weitgehend selbstständigen Organisation in einem weltweiten Verbund.

Dr. Dietmar Schlößer: Wenn wir gemeinsam arbeiten wollen, werden wir lernen mit Eigeninteressen der einzelnen Unternehmen umzugehen. Aber zunächst sollte man verstehen, dass es diese Eigeninteressen gibt, und dass es sie berechtigterweise gibt. Wenn ich zurückdenke, war das die größere Hürde – füreinander Verständnis entwickeln und dann auf eine gemeinsame Arbeitsbasis kommen.

silicon.de: Was wäre so ein Eigeninteresse, über das Sie im Council streiten?

Dr. Dietmar Schlößer: Es geht beispielsweise um die weltweit einsetzbaren Anwendungen. Da ist speziell für die deutsche Deloitte der Datenschutz ein verbindliches und entscheidendes Thema. Was in Nordamerika ohne Nachfragen möglich ist, ist in Deutschland verboten. Die Kollegen mussten dieses Thema erst einmal verstehen und akzeptieren. Eine andere Situation ist, wenn eine Firma einen akuten Lösungsbedarf hat. Dann kann man nicht immer darauf warten, dass eine globale Lösung verfügbar ist. Auch für diese Fälle ist ein Vorgehen definiert.

silicon.de: Das bedeutet, dass beim Gespräch mit Ihren Kollegen Politik und Strategie eine besondere Rolle spielen?

Dr. Dietmar Schlößer: Absolut. Das ‘Global CIO Council’ ist ein strategisch-politisches Gremium. Auch – oder selbst wenn – wir über Technik und Geschäftsprozesse reden. Und hier ist aus meiner Sicht wieder der Schlüssel zu meinem Verständnis des ‘Connected CIO’. Es ist wichtig, dass ich mich selber in einer politischen und strategischen Rolle sehe. Die Begrenzungen in unserem Gremium sind selten die technischen Möglichkeiten. Es geht vielmehr darum, ob ich andere überzeugen kann oder mich von anderen überzeugen lasse. Das sind die Grundlagen von Politik, nicht von Informationstechnologie.

Der ‘Connected CIO’ hat zweifellos eine Führungsrolle. Der Anspruch, der aus dieser Führungsrolle resultiert, ist, dass er die Aufgabe hat, andere zu überzeugen und Verantwortung zu übernehmen. Das ist der Wandel im Berufsbild und der Verantwortung eines IT-Leiters.

silicon.de: Sind Macht und Machtfülle eines CIOs ein Thema über das Sie und Ihre Kollegen debattieren?

Dr. Dietmar Schlößer: Was ist die Definition von Macht? Im Sinne von Macht ist Einfluss – da bin ich bei Ihnen. Ich bin der Meinung Informationstechnologie ist kein Selbstzweck. Es gibt kausale Zusammenhänge, die erfordern, dass ein IT-System so ist, wie es ist. Das ist die Rolle des CIO – das richtige IT-System aufbauen.

Wir haben zum Anfang des Gespräches darüber gesprochen, wie CIOs außerhalb der Deloitte-Welt miteinander kommunizieren. Dort gibt es Diskussionen über die Rolle der CIOs und ob deren Bedeutung im Unternehmen ausreichend gewürdigt wird.

Aber ich bin der Meinung, das IT sicherlich für Vieles Verantwortung hat – allerdings nicht für den Umsatz des Unternehmens. Da ist eine eindeutige Grenze bei dem, was der CIO bewegen kann. Deshalb sollten wir auf dem Boden bleiben.