Siemens: Aus für Atomgeschäft

Ende Mai berichtete silicon.de, dass Siemens aus dem Atomgeschäft aussteigen könnte. Jetzt hat Siemens-CEO Peter Löscher den “Totalausstieg” verkündet. Siemens gebe sein Kernkraftgeschäft endgültig auf, sagte Löscher im Spiegel-Interview.

Peter Löscher, Bild: Siemens
Peter Löscher, Bild: Siemens

Diese Entscheidung sei die Antwort von Siemens “auf die klare Positionierung von Gesellschaft und Politik in Deutschland zum Ausstieg aus der Kernenergie” nach der Fukushima-Katastrophe. Von Seiten der Bundesregierung habe es jedoch keinen Druck gegeben, aus der Atomtechnik auszusteigen, so Löscher. Künftig werde Siemens nicht mehr am Bau oder der Finanzierung von Atomkraftwerken mitwirken. Die Produktion von Komponenten wie Dampfturbinen werde jedoch weitergeführt, da diese auch in herkömmlichen Kraftwerken Anwendung fänden.

Der Siemens-Chef erteilte auch dem seit 2009 geplanten Joint Venture mit dem staatlichen russischen Nuklearunternehmen Rosatom eine Absage. Dazu werde es nicht mehr kommen. Man werde mit Rosatom jedoch “auf anderen Feldern” kooperieren. Die Reaktion der russischen Seite sei “sehr verständnisvoll” gewesen. Nach Angaben eines Siemens-Sprechers hat die Entscheidung für den Konzern keine finanziellen Nachteile, da es bislang nur eine Absichtserklärungen gegeben habe.

Unter Leitung von Heinrich von Pierer wollte sich Siemens bereits einmal aus dem Atomgeschäft zurückziehen – dann schwenkte der Konzern wieder auf Atomkurs ein. Noch 2009 ging Siemens nach einem Bericht von Reuters davon aus, dass bis 2030 über 1000 Milliarden Euro in Atomreaktoren investiert würden. Zusammen mit Rosatom wollte Siemens über ein Joint Venture von diesem “Zukunftsmarkt” profitieren.

Die Gründung dieses Joint Ventures erwies sich jedoch als vertrackt. Um mit Rosatom kooperieren zu können, musste Siemens zuerst das Joint Venture Areva NP mit dem französischen Rosatom-Konkurrenten Areva S.A. verlassen. Anfang 2009 kündigte Siemens und stieg im März 2011 aus Areva NP aus. Daraufhin leitet Areva S.A. juristische Schritte ein. Am 19. Mai 2011 urteilte ein Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC), Siemens sei seinen vertraglichen Pflichten gegenüber Areva S.A. nicht in vollem Umfang nachgekommen und habe einen Betrag von 648 Millionen Euro plus Zinsen an Areva S.A. zu zahlen.

In Areva NP hatte Siemens seine gesamten Nuklearaktivitäten eingebracht – diese lagen dann bei Areva S.A. Damit habe Siemens keine Kompetenz im “heißen Geschäft” mit Reaktor oder Brennelementen mehr, meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Kooperation mit Rosatom scheine die einzige Option, die der Konzern habe.

Im Gesellschaftervertrag von Areva NP war jedoch ein Wettbewerbsverbot vorgesehen – dessen Dauer das Schiedsgericht auf vier Jahre festlegte. Nach Siemens-Angaben läuft das Wettbewerbsverbot bis zum 25. September 2013. In diesem Zeitraum darf Siemens nicht mit Rosatom zusammenarbeiten – dieses “Moratorium” hat der Konzern als günstige Gelegenheit für einen Ausstieg aus der Atomtechnik-Herstellung genutzt.

Gegenüber dem Spiegel äußerte sich Löscher jetzt auch zur Schuldenkrise. Er rechne nicht mit einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone. “Dieser Fall wird nicht eintreten. Davon bin ich überzeugt.” In der Euro-Diskussion unterstütze er den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Siemens stehe voll hinter der weiteren europäischen Integration.